Rebellen dementieren Berichte des Staats-TV über zurückeroberte Städte.
In der libyschen Hauptstadt Tripolis ist am Sonntag heftiges Gewehrfeuer zu hören gewesen. Nach offiziellen Angaben feierten Hunderte von Anhängern des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi mit Freudenschüssen und Feuerwerk angebliche Siege im Kampf gegen die Aufständischen. Nach Berichten des libyschen Staatsfernsehens hatten regierungstreue Truppen gleich mehrere Städte zurückerobert, darunter auch die zuletzt schwer umkämpfte Ortschaft Al-Zawiya, knapp 50 Kilometer westlich von Tripolis. Auch Ras Lanouf, Misurata und Tobruk seien wieder unter der Kontrolle der Milizen von Gaddafi, hieß es. In Tripolis, Sirte und Sebha fänden daher Freudenfeste statt, berichtete ein TV-Sender, der Gaddafis Sohn Saif al-Islam nahesteht.
Ein Augenzeuge in Misrata wies gegenüber dem arabischen TV-Sender Al-Jazeera diese Behauptungen zurück. Auch für Ras Lanuf widersprachen Rebellen und Journalisten dieser Darstellung. Noch am Vortag hatten Aufständischen ihre Stellungen in Al-Zawiya trotz wiederholter Angriffe der Gaddafi-Truppen behauptet. Zudem befanden sich Fahrzeugkolonnen der Regimegegner nach Erfolgen im Osten auf dem Vormarsch, unter anderem in Richtung der Gaddafi-Geburtsstadt Sirte.
Der libysche Diktator Gaddafi will, dass sich eine Ermittlungskommission der Vereinten Nationen oder der Afrikanischen Union mit den Unruhen in dem nordafrikanischen Land befasst. Ein solches Team werde ungehinderten Zugang erhalten, sagte Gaddafi in einem Interview mit der französischen Wochenzeitung "Le Journal du Dimanche". Seine Truppen hätten nicht auf Zivilisten geschossen, sagte Gaddafi. Er wies auch die Angaben der libyschen Menschenrechtsliga vom Mittwoch zurück, wonach 6.000 Menschen bei der Unterdrückung des Aufstands getötet worden seien.
Der libysche Diktator forderte unterdessen eine Untersuchung des Aufstandes gegen sein Regime durch eine Kommission der Vereinten Nationen oder der Afrikanischen Union. "Wir werden eine solche Gruppe ungehindert arbeiten lassen", sagte er der französischen Sonntagszeitung "Journal du Dimanche" und machte zugleich Terroristen für die Rebellion verantwortlich.
Gaddafi zeigte bei dem am Samstag geführten Zeitungsinterview Unverständnis für die Haltung der internationalen Gemeinschaft. "Ich bin erstaunt, dass niemand versteht, dass dies ein Kampf gegen den Terrorismus ist", sagte er. "Unsere Geheimdienste arbeiten zusammen. Wir haben euch in den letzten Jahren viel geholfen. Also warum hilft uns nun im Gegenzug niemand, wenn wir hier in Libyen gegen Terrorismus kämpfen?", fragte er und warnte zugleich vor einem Jihad (Heiliger Krieg) der Islamisten im Mittelmeerraum
Der von den Regimegegnern in Benghazi (Bengasi) gebildete Nationalrat forderte die internationale Gemeinschaft auf, mit einer Flugverbotszone Gaddafi daran zu hindern, "sein eigenes Volk zu bombardieren". Ein Eingreifen ausländischer Truppen auf libyschem Boden wurde hingegen strikt abgelehnt.
Nach Angaben der UNO sind bisher mehr als 191.000 Menschen vor den Kämpfen zwischen den Truppen Gaddafis und Regierungsgegnern außer Landes geflohen. Zudem seien rund zehntausend Menschen derzeit auf dem Weg zur ägyptischen Grenze, wo sie in zwei oder drei Tagen eintreffen dürften, teilte das UNO-Büro für humanitäre Angelegenheiten (OCHA) unter Verweis auf Zahlen der Internationalen Organisation für Migration (IOM) mit.