Jahrhundert-Katastrophe in Deutschland
Kampf gegen die Todesflut
17.07.2021Westeuropa erlebt die schlimmste Flut seit dem Beginn der Aufzeichnungen.
Deutschland. Lisa M. ist mit ihrem Lebensgefährten erst vor mehreren Wochen ins neue Haus eingezogen. Sechs Monate lang hatten sie ihr neues Eigenheim im Dorf Schuld in der landwirtschaftlich wunderschönen Eifel renoviert. Doch in der Nacht auf Donnerstag kam das Wasser. Die Ahr, ein an sich harmloser Fluss, der um den Ort eine Schleife zieht, verwandelte sich durch den Starkregen in einen reißenden Strom. Von Lisa M.s ganzem Stolz ist nicht mehr viel übrig. Sie will gar nicht wissen, wie viel kaputt ist. Mehrere Häuser in der Nachbarschaft des 700- Einwohner-Dorfes wurden gleich zur Gänze weggerissen.
Jahrhundertflut
Das Ausmaß der durch das Tief Bernd ausgelösten Flutkatastrophe in Deutschland, aber auch in Belgien und den Niederlanden, ist unvorstellbar. Nachdem noch viele Menschen vermisst sind, ist mit mehreren Hundert Todesopfern zu rechnen. Viele sind in ihren Häusern, Kellern oder auch Autos ertrunken, wie viele in den Schlammmassen ums Leben gekommen sind, ist nicht abzusehen. Die Einsatzkräfte arbeiten zwar rund um die Uhr, doch viele Menschen, die sich per Notruf gemeldet hatten, konnten nicht mehr gerettet werden.
Klar ist nur: Die Todesflut ist eine Jahrhundert-Katastrophe.
Wurde das Ausmaß der Flut völlig unterschätzt?
Gigantisches Loch
Die Ortschaft Schuld in Rheinland Pfalz ist nur einer der Hotspots dieser Katastrophe. Ein weiterer ist Erftstadt-Blessem im benachbarten Nordrhein-Westfalen. In der 50.000-Einwohner-Stadt in der Nähe von Köln klafft ein riesiges Loch in der Größe mehrerer Fußballfelder. Unmittelbar vor der mittelalterlichen Burg Blessem ist eine ganze Straße mit allen Häusern und den geparkten Autos 20 Meter tief abgestürzt. Und das Loch wird durch die „massive rückschreitende Erosion“, wie es der Geologe Matthias Habel in Bild erklärt, immer größer und droht schon den nächsten Ortsteil „aufzufressen“.
Alles verloren. Zehntausende Menschen mussten evakuiert werden, haben ihr ganzes Hab und Gut verloren. Ganze Landstriche waren für längere Zeit ohne Gas und Strom. Wichtige Autobahnen wie die A1, die den Südwesten Deutschlands mit der Ostsee verbindet, sind teilweise unbenützbar.
Schuldfrage
Das Hochwasser war blitzschnell, quasi über Nacht, gekommen. Die Menschen wurden völlig überrascht. Grund genug, dass jetzt in Deutschland eine heftige Diskussion über das angebliche Versagen des Katastrophenschutzes losgebrochen ist. Wurde das Ausmaß der drohenden Flut unterschätzt? Wurde zu spät gewarnt?
Wahlkampf
Was dieser Diskussion zusätzliche Brisanz verleiht. In etwas mehr als zwei Monaten sind in Deutschland Bundestagswahlen. Und Katastrophen haben dort bereits öfter Wahlen entschieden.