Tschechien
Kein Ende der Regierungskrise in Sicht
13.04.2011
Staatspräsident Klaus spricht von einer "sehr ernsten Situation".
Kein Ende in Sicht ist bei der Regierungskrise in Tschechien. Zwar haben die drei Parteien der rechtsliberalen Koalition beschlossen, die Regierungszusammenarbeit fortsetzen zu wollen. Allerdings ist die künftige Besetzung des Innenminister-Postens zum Problem geworden. Bisher hatte der Chef der Partei Öffentliche Angelegenheiten (VV), Radek John, das Amt inne. Die konservative Demokratische Bürgerpartei (ODS) von Ministerpräsident Petr Nečas fordert, dass weder John noch jemand anderer von der VV dieses Ressort führen sollte. Die VV beharrt jedoch auf dem Verbleib Johns in diesem Amt.
Innenminister unter dem Einfluss einer privaten Sicherheitsfirma
Die ODS argumentiert mit der "Gefahr", dass das Innenministerium weiterhin von der privaten Sicherheitsfirma ABL beeinflusst werden könnte. Die kommerziell erfolgreiche ABL war von dem zurückgetretenen einflussreichen Verkehrsminister und De-facto-VV-Chef Vít Bárta gegründet und bis 2010 auch geführt worden. Nun gehört die Agentur seinem Bruder.
Abgeordnete im Parlament gekauft?
Die Regierungskrise war vergangene Woche ausgebrochen, nachdem der Verdacht aufgetaucht war, dass Bárta sich die Loyalität von mehreren VV-Abgeordneten erkauft haben soll. In Reaktion darauf forderte Nečas auch den Abgang von Innenminister John und Unterrichtsminister Josef Dobeš (ebenfalls VV).
Putsch ein Dreivierteljahr lang geplant
Wie Radio Prag berichtet, dürften die abtrünnigen Abgeordneten in der VV den parteiinternen Putsch seit längerer Zeit vorbereitet haben. In einer den Medien zugespielten heimlich angefertigten Tonaufzeichnung spricht die Auslöserin der Parteikrise, Kristýna Kočí, über ihre Verbindungen und Absprachen mit dem Koalitionspartner ODS. Kočí hat ihre Behauptungen inzwischen zurückgezogen. Sie habe absichtlich gelogen, um zu beweisen, dass die abgehört werde. Die ODS wies indes jede Beteiligung an dem parteiinternen Putsch zurück.
Premier Nečas: "Stasi-Methoden unerträglich"
Premierminister Petr Nečas kritisierte nach einer Krisensitzung der Koalitionsparteien am Mittwochabend den Einsatz von Stasi-Methoden. Geheime Aufzeichnungen, Wanzen und gezielte Lügen hätten in der Politik nichts verloren. Seine ODS werde sich "sicher nicht in den parteiinternen Streit der VV hineinziehen" lassen, betonte der tschechische Regierungschef. Spitzenvertreter der ODS, der VV sowie der dritten Koalitionspartei, der TOP 09 von Außenminister Karel Schwarzenberg, trafen am Mittwoch zu einem Abendessen im Amtssitz der Premierministers zusammen, um über die Zukunft der Regierung zu debattieren. Ein klares Ergebnis wurde dabei offenbar nicht erzielt.
Staatspräsident Václav Klaus verliert die Geduld
Staatspräsident Václav Klaus hat unterdessen die Geduld verloren. Nach dem erfolglosen Treffen der Koalitionsspitzen sprach er von einer Situation, die "völlig aus dem Ruder gelaufen" sei und stellte die Frage, ob die Fortsetzung der Mitte-Rechts-Koalition "unter diesen Umständen überhaupt noch Sinn" mache. Das Staatsoberhaupt hat für Donnerstag die Spitzen der Koalitionsparteien zu "sehr ernsten Gesprächen" auf die Prager Burg bestellt, berichtet das Nachrichten-Portal iDnes.cz
Opposition erwägt Misstrauensvotum gegen die Regierung
Die Opposition in Tschechien - Sozialdemokraten (ČSSD) und Kommunisten (KSČM) - erwägen unterdessen eine Misstrauensabstimmung gegen die Regierung. Für den Sturz der Regierung bräuchte sie mindestens 101 der 200 Stimmen im Abgeordnetenhaus. Sie verfügt aber nur über insgesamt 82. Eventuell könnte die Opposition noch mit drei Stimmen von ehemaligen VV-Abgeordneten rechnen, die aus Partei und Parlamentsklub ausgeschlossen wurden. Es handelt sich um jene Abgeordneten dank derer die Affäre um angebliche Schmiergeldzahlungen Bartas an VV-Parlamentarier ins Rollen kam. Diese Zahlungen hat der zurückgetretene Barta als "Anleihen an Freunde" eingestanden.