Medizin
Kein Stopp klinischer Tests in Frankreich
18.01.2016
Der Tod eines Probanden ist kein Stoppgrund für Medikamententests.
Der Tod eines Versuchsteilnehmers bei einem Medikamententest der Phase I ist für die französische Regierung kein Grund für einen generellen Stopp der klinischen Erprobung von Arzneimitteln. Man müsse aber auch verstehen, was in der Universitätsklinik in Rennes geschehen sei, sagte Gesundheitsministerin Marisol Touraine.
"Es gibt ein großes, massives Problem, das beispiellos ist in Frankreich", erklärte die Politikerin gegenüber dem französischen Sender RTL, "wir müssen verstehen, was passiert ist, aber es gibt keinen Grund, sämtliche klinischen Tests zu unterbrechen."
Zu später Alarm durch das Labor
Am Sonntag war ein Proband gestorben, der zuvor nach dem Versuch am Freitag für hirntot erklärt worden war. Fünf Patienten werden im Krankenhaus behandelt. Vier von ihnen sollen unter nicht näher beschriebenen neurologischen Beschwerden leiden. Touraine bezeichnete den Zustand der Patienten am Montag als "stabil".
Touraine kritisierte zugleich einen aus ihrer Sicht zu späten Alarm durch das Labor, in dem das Medikament an gesunden Freiwilligen getestet wurde. "Angesichts eines so schweren Falles wurde vom Labor erwartet, sich schneller an die Gesundheitsbehörden zu wenden." Den Opfern sicherte Touraine Unterstützung durch Staat, Labor und Versicherungen zu.
Sechs von 90 Probanden mussten ins Krankenhaus
Französische Gesundheitsbehörden und die Justiz untersuchen die genauen Ursachen des Unglücks. Mitarbeiter der Aufsichtsbehörde IGAS, der für Medikamentensicherheit zuständigen Behörde ANSM und der Polizei haben dafür das Labor der Firma Biotrial in Rennes durchsucht und Mitarbeiter befragt. Das Unternehmen hatte das Medikament getestet.
Seit vergangenem Juli hatten dabei 90 gesunde Menschen den Wirkstoff des portugiesischen Herstellers Bial bekommen. Am Freitag war bekannt geworden, dass sechs Versuchsteilnehmer im Alter zwischen 28 und 49 Jahren ins Krankenhaus mussten und einer von ihnen für hirntot erklärt wurde. Ein Mensch ist hirntot, wenn das Groß- und Kleinhirn sowie der Hirnstamm unwiederbringlich nicht mehr funktionieren.
"Unvorhersehbare, ungeklärte und unerklärliche Ereignisse"
Biotrial-Chef Francois Peaucelle sprach von "unvorhersehbaren, ungeklärten und unerklärlichen Ereignissen". Der Wirkstoff soll nach früheren Angaben Touraines auf Stimmungsschwankungen und Angstgefühle sowie auf motorische Störungen bei neurodegenerativen Erkrankungen abzielen. Neurodegenerative Erkrankungen sind meist langsam fortschreitende Erkrankungen des Nervensystems, bei denen immer mehr Nervenzellen verloren gehen - wie etwa bei Parkinson. Der Hersteller selbst sprach von einem Wirkstoff im "Schmerzbereich".
Wirkstoffe werden bis zur Marktzulassung umfangreich in mehreren Phasen getestet. Das Mittel aus Frankreich befand sich in Phase 1. Dabei wird ein Stoff unter hohen Sicherheitsvorkehrungen erstmals zumeist an gesunden Freiwilligen auf Verträglichkeit getestet. Dafür gibt es eigene rigorose Sicherheitsvorschriften.