Während in Wien noch heftig verhandelt wird, steht in Berlin die neue Regierung.
Sie strahlen in die Kameras, schütteln sich immer wieder die Hände und geben sich betont einig: 66 Tage nach der Bundestagswahl in Deutschland präsentierten gestern die Parteichefs von CDU, CSU und SPD den neuen Koalitionsvertrag in Berlin. SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel erklärte siegessicher: „Das ist ein Koalitionsvertrag für die kleinen Leute. Er macht das Leben der Menschen besser.“
23 Milliarden Mehrkosten in den nächsten 4 Jahren
Während in Österreich derzeit bei den Koalitionsverhandlungen heftig gestritten wird, gelang in Berlin nach einer 17-stündigen Marathonsitzung Dienstagnacht der Durchbruch. Kanzlerin Angela Merkel überzeugt: „2017 wird es den Menschen besser gehen.“
Insgesamt 23 Milliarden Euro an Mehrausgaben wird die künftige deutsche Regierung für Mindestlohn, Mütterrente und Co. ausgeben müssen. Am umstrittensten: die geplante Autobahnmaut.
Ab morgen werden die 470.000 SPD-Mitglieder über den Koalitionsvertrag abstimmen. Bei einem Ja wird Merkel am 17. Dezember wieder als Kanzlerin angelobt.
Mindestlohn und Mütterrente: Das steht im Regierungs-Abkommen
Kraftakt. Die wichtigsten Punkte des neuen Koalitionsvertrags:
- Maut: Bald müssen Ausländer auf deutschen Autobahnen zahlen (s. unten).
- Mindestlohn: In zwei Jahren wird ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro Std. eingeführt. Vorerst mit Ausnahmen.
- Rente: Wer 45 Jahre in die Rentenkassen eingezahlt hat, darf bereits mit 63 Jahren abschlagsfrei in Pension gehen. Und Mütter werden künftig höhere Renten bekommen.
- Doppelpass: Kinder ausländischer Eltern können in Zukunft mehrere Pässe besitzen.
(mud)
Streit um Abzocker-Vignette
Deutsche wollen uns zur Kasse bitten. Bereits 2014 soll es auf Deutschlands Autobahnen Vignettenpflicht für Pkws geben – das steht im brandneuen Koalitionspapier. Der Clou: Die Autobahnmaut soll nicht von den Deutschen selbst, sondern von den Ausländern – und damit auch von uns Österreichern – bezahlt werden. Konkret ist von einem „angemessenen Betrag“ die Rede, der „von nicht in Deutschland zugelassenen Pkws“ erhoben werden soll.
Dies widerspricht jedoch dem europäischen Gleichbehandlungsgrundsatz. EU-Abgeordnete Eva Lichtenberger dazu gestern irritiert: „Dann kann auch Österreich Studiengebühren für Ausländer einführen oder Italien Eintritt für Adriastrände verlangen.“ Regelrecht erbost zeigt sich auch Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ): „Ich werde nicht zulassen, dass Österreicher, etwa am Deutschen Eck, zur Kassa gebeten werden.“ Und überlegt rechtliche Schritte: „Sollte es hier keine EU-rechtskonforme Variante geben, gibt es österreichischen Widerstand.“
(hab)