Henriette Reker wurde zur Oberbürgermeisterin von Köln gewählt.
Einen Tag nach einem Mordanschlag auf die Kölner Sozialdezernentin Henriette Reker ist die parteilose Politikerin zur neuen Oberbürgermeisterin der deutschen Rhein-Metropole gewählt worden. Die 58-Jährige setzte sich am Sonntag gleich im ersten Wahlgang gegen sechs weitere Bewerber durch.
Absolute Mehrheit
Kurz vor Auszählung aller Stimmbezirke lag Reker mit 51,7 Prozent so deutlich über der absoluten Mehrheit, dass sie auf jeden Fall neue Oberbürgermeisterin der viertgrößten deutschen Stadt wird. Sie ist damit die erste Frau auf dem Chefsessel im Kölner Rathaus.
Am Samstag war sie bei einer Wahlkampfveranstaltung von einem 44-Jährigen mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt worden. Ein Richter erließ inzwischen Haftbefehl wegen versuchten Mordes gegen den mutmaßlichen Täter, der laut Polizei fremdenfeindliche Motive nannte. Reker ist in Köln auch für die Unterbringung von Flüchtlingen zuständig. Bei der Wahl wurde sie unterstützt von CDU, FDP und den Grünen. Ihr SPD-Kontrahent lag kurz vor Bekanntgabe des vorläufigen amtlichen Endergebnisses bei 32,0 Prozent.
Ärzte entwarnen
Die behandelnden Ärzte teilten am Sonntagabend mit, dass sich Rekers Gesundheitszustand positiv entwickle. Die Politikerin müsse jedoch weiterhin in stationärer Behandlung im Krankenhaus bleiben, sagte ein Kliniksprecher. "Der Heilungsverlauf nimmt bei einer Verletzung dieser Art üblicherweise eine gewisse Zeit in Anspruch."
Ein psychologisches Gutachten ergab, dass der mutmaßliche Angreifer bei seinem Anschlag auf einem Wochenmarkt voll schuldfähig war. Das teilten Polizei und Staatsanwaltschaft mit. Nach Äußerungen am Tatort hatte es daran zunächst Zweifel gegeben. Er habe ausgesagt, in den 1990er Jahren in der rechten Szene aktiv gewesen zu sein, Details habe er aber nicht genannt, teilten die Ermittler weiter mit. Es wurde Haftbefehl wegen des Vorwurfs des versuchten Mordes und mehrfacher gefährlicher Körperverletzung erlassen.
Fremdenhass?
Der Rechtsextremismus-Forscher Professor Hajo Funke wies im Gespräch mit dem Kölner "Express" (Montag) auf einen möglichen Zusammenhang zwischen den fremdenfeindlichen Bewegungen der letzten Monate und derartigen Taten hin. "Pegida (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes, Anm.) war der Katalysator für eine neu entstandene Stimmung der Verrohung, für eine Schwemmung der Ressentiments und eine Absenkung der Hemmschwelle. Durch diese Stimmung werden Taten wie in Köln gefördert", sagte er.
Insgesamt waren mehr als 800.000 Menschen in Köln aufgerufen, zur Wahl zu gehen. Die Wahlbeteiligung lag bei 39,7 Prozent. 2009 stimmten 49,1 Prozent ab, damals wurde mit SPD-Mann Jürgen Roters jedoch nicht nur ein neuer Oberbürgermeister gewählt, gleichzeitig stand auch die Kommunalwahl auf dem Programm.
Wie in anderen Kommunen im Bundesland Nordrhein-Westfalen sollte auch in Köln eigentlich schon Mitte September gewählt werden. Die Bezirksregierung hatte aber die Stimmzettel beanstandet, das Votum wurde verschoben.
Aufruf zur Standhaftigkeit
Kölns scheidender Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) rief zu Standhaftigkeit auf. "Es geht jetzt darum, dass wir uns nicht unterkriegen lassen", sagte Roters der Deutschen Presse-Agentur. Die Diskussion um Flüchtlinge in Deutschland werde heftiger, immer häufiger würden Asylbewerberheime angegriffen. "Wir müssen alle gemeinschaftlich darauf achten, dass das Klima des Zusammenlebens nicht beschädigt wird", appellierte Roters.
Der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach beklagte eine Zunahme von Angriffen auf Politiker. "Ich bin seit 43 Jahren in der Politik, seit 21 Jahren im Bundestag. Ohne zu dramatisieren: Der Ton wird rauer. Es hat immer wieder Beleidigungen oder Drohungen gegeben, aber nicht in einer solchen Massivität", sagte er dem Kölner "Express" (Montag).
Der Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung, Peter Altmaier (CDU), rief zum Widerstand gegen Fremdenfeindlichkeit auf. "Der Anschlag ist verachtenswert und abscheulich", sagte der Kanzleramtsminister den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Auch wenn wir die genauen Hintergründe noch nicht kennen: Wir müssen uns zu jedem Zeitpunkt deutlich abgrenzen von jeder Form von Ausländerfeindlichkeit und Gewalt."