Präsident Lee Myung-bak will "vorsichtige Reaktion" auf Schiffsversenkung.
Angesichts der verschärften Spannungen auf der koreanischen Halbinsel hat sich der südkoreanische Präsident Lee Myung-bak offenbar aus Rücksicht auf die bevorstehenden Gespräche von US-Außenministerin Hillary Clinton in Peking um Deeskalation bemüht. Die nach einem offiziellen Untersuchungsbericht durch einen nordkoreanischen Torpedo verursachte Versenkung eines südkoreanischen Kriegsschiffs sei aber ein "perfekter militärischer Überfall" gewesen, sagte Lee am Freitag in Seoul nach einer Krisensitzung mit seinen Sicherheitsberatern. Unterdessen brach Clinton zu ihrer Asien-Reise auf. Sie wird sich zunächst nach Tokio und Shanghai und anschließend nach Peking und Seoul begeben.
Mit "Krieg" gedroht
Nordkorea hat den von
internationalen Experten vorgelegten Untersuchungsbericht als falsch
zurückgewiesen und mit "Krieg" gedroht, sollte es deswegen eine
Vergeltungsaktion Südkoreas und seiner Verbündeten geben. "In dieser
wichtigen und sehr ernsten Angelegenheit dürfen wir in unserer Reaktion
keinen einzigen Fehler machen und müssen sehr vorsichtig sein", sagte Lee.
Die zehn Millionen Einwohner zählende Hauptstadt Seoul liegt in der
Reichweite nordkoreanischer Artillerie.
Pjöngjang muss nach Angaben der US-Regierung mit "Konsequenzen" rechnen. Der Torpedo-Angriff auf das Schiff sei ein "grundloser und unberechtigter" Akt gewesen und werde "definitiv Konsequenzen" haben, sagte US-Außenamtssprecher Philip Crowley vor Journalisten in Washington. "Das war eine ernsthafte Provokation." Über die Art der Konsequenzen und mögliche Sanktionen wollte sich der Sprecher nicht äußern.
Waffenstillstand gebrochen
Das von den USA geführte UNO-Kommando
(UNC), das die Waffenstillstands-Demarkationslinie und innerkoreanische
Grenze sichert, erklärte unterdessen, eigene Ermittlungen zu dem Vorfall
einzuleiten. Das UNC werde ein spezielles Untersuchungsteam einberufen, um
den Vorwurf zu prüfen, Nordkorea habe den 1953 geschlossenen
Waffenstillstand gebrochen, erklärte das Kommando. Dem UNC gehören Vertreter
von Australien, Kanada, Dänemark, Frankreich, Neuseeland, Südkorea, der
Türkei, Großbritannien und der USA an. An den Ermittlungen soll auch die
Untersuchungskommission neutraler Staaten - bestehend aus Schweden und der
Schweiz - teilnehmen. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in
Europa (OSZE) hat Süd- und Nordkorea zu Gesprächen aufgerufen. Man brauche
intensiveren Dialog, um den Frieden und die Stabilität in Nordostasien zu
erhalten, sagte der amtierende OSZE-Vorsitzende und kasachische
Außenminister Kanat Saudabajew am Freitag in Wien.
Bis heute gibt es keinen Friedensvertrag auf der geteilten Halbinsel. Im Juni 1950 hatten nordkoreanische Truppen die nach dem Zweiten Weltkrieg festgelegte Demarkationslinie zwischen sowjetisch und amerikanisch kontrollierter Zone entlang des 38. Breitengrades überschritten. Der Weltsicherheitsrat beschloss damals auf Initiative der USA, Südkorea mit UNO-Truppen zu Hilfe zu kommen. Die Sowjetunion boykottierte die Sitzung; somit war kein Vertreter Moskaus zugegen, um ein Veto einzulegen. Die USA stellten das weitaus größte Truppenkontingent der von ihnen angeführten UNO-Streitmacht. China unterstützte Nordkorea mit einer großen "Freiwilligen"-Armee von einer Million Mann. Der verheerende Krieg wurde durch einen Waffenstillstand beendet; dieser wurde von einem US-General im Namen der Vereinten Nationen unterzeichnet.
China als einziger Verbündeter
China und Nordkorea hatten
ungeachtet der bestehenden Differenzen wegen des nordkoreanischen
Atomprogramms den nach wie vor privilegierten Charakter ihrer bilateralen
Beziehungen hervorgehoben. Seit dem Untergang der Sowjetunion ist die
Volksrepublik China der einzige wichtige Verbündete Pjöngjangs. China plant
nach südkoreanischen Informationen Milliardeninvestitionen in Nordkorea, um
der maroden Wirtschaft und Infrastruktur des Nachbarlandes auf die Beine zu
helfen. Südkorea befürchtet, im Fall einer Implosion des nordkoreanischen
Regimes außerstande zu sein, die Probleme einer Wiedervereinigung zu
bewältigen, welche zudem von China nicht gewünscht wird.