Wadim Krassikow

Kreml gibt zu: Tiergarten-Mörder ist russischer Agent

02.08.2024

Wadim Krassikow kam im Zuge eines Gefangentausches frei. 

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© Polizei
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Die Identität des beim historischen Gefangenenaustausch zwischen Russland, Belarus und mehreren westlichen Ländern involvierten Wadim Krassikow ist nun vom Kreml bestätigt worden. Der "Berliner Tiergartenmörder" ist tatsächlich ein Agent des russischen Geheimdienstes FSB. "Krasikow ist ein Mitglied des FSB", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Freitag in Moskau. Er war 2021 in Deutschland zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden.

Krassikow hatte 2019 in einer Parkanlage in Berlin einen Georgier getötet, der in Deutschland Schutz gesucht hatte. Der russische Präsident nahm den Mörder öffentlich in Schutz, weil er aus russischer Sicht einen Staatsfeind beseitigt hatte. Krassikow ist laut dem CDU-Sicherheitsexperten Roderich Kiesewetter ein langjähriger Kollege, Freund und Partner von Putin.

Weiterer Austausch geplant

Der russische Botschafter in den USA, Anatoli Antonow, gab unterdessen bekannt, weitere Gefangene freibekommen zu wollen. "Es gibt immer noch Dutzende von Russen in amerikanischen Gefängnissen, die hoffnungsvoll auf das Vaterland blicken und auf ihre Stunde der Freilassung warten", teilte Antonow bei Telegram mit.

Er gratulierte den in den USA freigelassenen Russen, während US-Präsident Joe Biden und Vizepräsidentin Kamala Harris ihre zurückkehrenden Landsleute auf dem Militärflughafen Joint Base Andrews unweit der Hauptstadt Washington empfingen. "Es ist ein wunderbares Gefühl", sagte Biden. "Ich war absolut überzeugt, dass wir das schaffen können."

Biden und Harris umarmten den wegen Spionage verurteilten "Wall Street Journal"-Korrespondenten Evan Gershkovich und den ehemaligen US-Soldaten Paul Whelan nach dem Verlassen der Maschine. "Das ist ein unglaublicher Tag", sagte Harris - das könne man an den Freudentränen der Familienangehörigen sehen. Der Gefangenenaustausch sei ein "außerordentlicher Beweis dafür, wie wichtig es ist, einen Präsidenten zu haben, der die Macht der Diplomatie versteht".

"Harter Brocken"

Der Gefangenenaustausch sei außerdem ein "harter Brocken" für die Verbündeten der USA gewesen, sagte Biden. Besonders Deutschland und Slowenien hätten Entscheidungen treffen müssen, die "gegen ihre unmittelbaren Interessen waren". Slowenien stimmte einer Übergabe von zwei verurteilten Spionen zu. Diese wären aufgrund der lockeren Spionagegesetze des Landes jedoch auch ohne den Austausch bald freigelassen worden, schrieb die slowenische Tageszeitung Delo.

Der republikanische Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des US-Repräsentantenhauses, Michael McCaul, machte Bedenken deutlich, dass sich die USA erpressbar machten. Auch der CDU-Außenpolitiker Jürgen Röttgen meinte er fürchte den Propagandaeffekt, der Putin durch den Gefangenenaustausch zukommt. "Das Schlimmste wäre, wenn es jetzt zur Nachahmung kommt. Also wenn jetzt quasi Putin jedem gedungenen Mörder, den er in den Westen schickt, um irgendwelche Menschen auszuschalten (...), wenn er denen sagen kann: Ihr seht ja am Fall des Tiergartenmörders: Ich hole Euch raus."

Zu den weiteren russischen Gefangenen, die im Zuge des Austauschs freigelassen wurden, gehören Roman Selesnjow, ein zu 27 Jahren Haft verurteilter Computer-Hacker und Wladislaw Kljuschin, ein IT-Unternehmer, der wegen Cyberbetrugs in den USA zu neun Jahren Haft verurteilt worden war. Außerdem freigekommen ist der noch nicht verurteilte mutmaßliche Geheimdienstagent Wadim Konoschtschjonok, der unter Umgehung von Sanktionen auch für militärische Zwecke nutzbare Technik geschmuggelt haben soll.

Beispiellose Aktion

Nach mehr als neun Stunden Flug waren die in der türkischen Hauptstadt Ankara gestarteten amerikanischen Freigelassenen kurz vor Mitternacht (Ortszeit) in der Nähe von Washington gelandet. An Bord befand sich neben Gershkovich und Whelan auch die Journalistin Alsu Kurmasheva. Das "Wall Street Journal" gibt an, Gershkovich habe Putin kurz vor seiner Entlassung um ein Interview gebeten - eine Antwort des russischen Präsidenten ist nicht bekannt.

Russland, Belarus und mehrere westliche Länder hatten in einer beispiellosen Aktion unter Beteiligung des türkischen Geheimdienstes MIT auf dem Flughafen von Ankara insgesamt 26 Gefangene ausgetauscht. Im Gegenzug für die Freilassung politischer Gefangener und Regimekritiker ließen Deutschland, die USA und Partnerländer den Tiergartenmörder und unter Spionageverdacht stehende Häftlinge aus Russland gehen. 13 Personen landeten in der Nacht in Köln.

Der deutsche Politologe David Sirakov warnt jedoch davor, den Austausch als Zeichen verbesserter Beziehungen zwischen Russland, Belarus und dem Westen zu sehen. Vielmehr zeige er, dass die "Freipressung eigener Staatsbürger" weiter zum "diplomatischen Repertoire" der beiden Länder gehört.
 

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