Brisant: Oliver N. will über Hintermänner der ISIS in Österreich auspacken.
Derzeit liegt der 16-jährige Oliver N. in der „Abteilung Z 5“, der Sonderkrankenstation in der Justizanstalt Wien-Josefstadt: „Hier ist er gut aufgehoben“, sagt Werner Tomanek, der Anwalt des Ex-Jihadisten.
Der ISIS-Aussteiger will auspacken. Alles offenlegen. Punkt für Punkt skizzieren, wie das „Reisebüro des Todes“ in Österreich wirklich funktioniert. Wer jene Prediger und Hintermänner sind, die bisher 200 junge Österreicher (siehe Kasten rechts) nach Syrien zur ISIS geschickt haben. Damit wird Oliver N. zum Kronzeugen gegen die ISIS-Killer.
Via Skype heiratete er eine 16-jährige Wienerin
150 Dollar. Aber: Sagt Oliver N. die ganze Wahrheit? N. war Lehrling in Wien, die Ehe seiner Eltern zerrüttet. Zuletzt lebte er in einer betreuten Wohngemeinschaft unter Aufsicht des Jugendamtes. In dieser Phase stieß er auf eine Gruppe von Austro-Afghanen in Wien. ISIS-Fanatiker.
Dann ging alles blitzschnell: Im Mai 2014 konvertierte er zum Islam. Tage später saß er im Flugzeug in die Türkei, wurde von ISIS-Mittelsmännern abgeholt, nach Rakka in Syrien gebracht, der Hauptstadt der ISIS-Killer. Er nannte sich „Abu Muktail Al Almani“, bekam 150 US-Dollar Taschengeld, eine Wohnung mit Internetanschluss, eine Kalaschnikow, Munition.
Austro-Clique. Sein erster Kontakt in Rakka war Firas H., 19 aus Wien. Gemeinsam mit ihm posierte er auf Fotos, zeigte sich martialisch beim Arbeiten im Schlachthaus von Rakka, drohte via Internet sogar seinen Ex-Schulkollegen mit dem „Abschlachten“.
Der Krieg war für ihn vorerst nur virtuell. Er sollte via Internet Jugendliche in Österreich begeistern. Der 16-Jährige heiratete dafür sogar. Via Skype. Eine 16-jährige Wienerin. Sie versprach ihrem „Ehemann“ , „in Österreich Frauen für die ISIS-Kämpfer zu rekrutieren“. Gesehen haben die beiden einander nie. Das Mädchen wurde verhaftet, bevor es nach Syrien ausreisten konnte.
Flucht. Selbst getötet will Oliver N. nicht haben: „Er war Fahrer eines Krankenwagens“, behauptet sein Anwalt, „musste zerfetzte ISIS-Kämpfer einsammeln.“ Hunderte verstümmelte Kameraden habe er gesehen. Darunter auch die Leiche seines Freundes Firas H. : „Firas wurde bei einem Luftangriff getötet.“ Letztlich wurde Oliver N. selbst verletzt. Erst jetzt dachte er an Flucht... (wek)
Werner Tomanek, Anwalt des Ex-Jihadisten
ÖSTERREICH: ISIS-Aussteiger Oliver N. liegt in der Krankenstation der Justizanstalt, will auspacken...
Werner Tomanek: Ja, das hat er vor. Er hat abgeschworen, möchte reinen Tisch machen. Jetzt beginnt für ihn ein neuer, aber auch gefährlicher Lebensabschnitt. Es gibt da Tschetschenen und Afghanen, die ziemlich unangenehmen werden können, auch in der Haft.
ÖSTERREICH: Fürchten Sie um sein Leben?
Tomanek: Man passt gut auf ihn auf in der Justizanstalt, sie schauen auf ihn.
ÖSTERREICH: Vieles an der Story von Oliver N. klingt wenig glaubwürdig – so soll er bei einem Granatangriff einen Lungenflügel, Milz und eine Niere verloren haben. Trotzdem gelang die Flucht via Türkei nach Wien...
Tomanek: Er hat nur durch sehr viel Glück überlebt. Bei dem Granatangriff hat es ihm den Bauch aufgerissen, er hat praktisch seine Eingeweide in der Hand gehabt. Sie haben ihn vor Ort aber erstaunlich gut zusammengeflickt.
ÖSTERREICH: N. ist Österreicher, hat keinen Migrationshintergrund. Weshalb ließ er sich so leicht rekrutieren?
Tomanek: Oliver ist von der Playstation direkt an die Front. Er lernte damals in Wien einige Afghanen und Türken kennen. Ihm wurde eine Frau versprochen und Geld. Selbst das Konvertieren zum Islam war eine Farce. Kurz darauf ging es schon nach Syrien.
ÖSTERREICH: Er soll in Rakka auch geheiratet haben?
Tomanek: Ja, aber das war keine Hochzeit im herkömmlichen Sinn. Er hat via Internet von Rakka aus eine 16-jährige Wienerin geheiratet. Gesehen haben die beiden einander nie.
VIDEO: ISIS-Kämpfer verhaftet