Drama in Chile
Kumpel müssen noch monatelang ausharren
25.08.2010
Die verschütteten Bergleute wissen noch nichts von ihrer Situation. Ein Psychiater soll sie nun darauf vorbereiten. Die Kumpel kommunizieren mit einem Funktelefon mit der Außenwelt. Die Vorräte werden über einen Schlauch in die Tiefe transportiert.
Die seit knapp drei Wochen unter Tage eingeschlossenen Bergleute in Chile hoffen, dass sie rasch das Tageslicht erblicken können. Was sie allerdings noch immer nicht wissen: Sie müssen noch bis in die Weihnachtszeit in 700 Meter Tiefe ausharren, denn die für eine Rettung notwendige Bohrung eines neuen Schachts wird voraussichtlich drei bis vier Monate dauern. Ein Psychologe soll sie nun auf diese Situation vorbereiten.
Kumpel telefonierten mit Präsidenten
Die Kumpel flehten dank
eines Funktelefons Staatschef Sebastian Pinera um rasche Hilfe an. "Wir
hoffen, dass ganz Chile sich anstrengen wird, damit wir aus dieser Hölle
herauskommen", sagte der leitende Arbeiter Luis Urzua in einem Telefonat mit
Pinera. "Herr Präsident, wir sind darauf angewiesen, dass Sie stark sind,
dass uns so schnell wie möglich geholfen wird und dass man uns nicht
aufgibt." Den Bergleuten gehe es gut, fügte Urzua mit ruhiger und fester
Stimme hinzu.
"Sie werden nicht alleingelassen, und sie wurden nicht eine Sekunde alleingelassen", versicherte Pinera dem Arbeiter. "Die Regierung ist bei Ihnen. Das ganze Land ist bei Ihnen und ich möchte Ihnen versichern, dass Ihre Familien begleitet und unterstützt werden."
Nahrung über Schlauch
Über einen Schlauch wurden erste
Vorräte in die Tiefe geschickt, wo die Bergleute bei relativ guter
gesundheitlicher Verfassung auf ihre Rettung warten. Als Nahrung erhielten
sie zunächst eine Glukoselösung sowie Medikamente, die Magengeschwüre
verhindern sollen. Erst in den kommenden Tagen sollen die Verschütteten dann
wieder feste Nahrung zu sich nehmen. Gesundheitsminister Jaime Manalich
sagte, dass dafür ein kalorienreiches Joghurt-Getränk, das speziell für
Astronauten entwickelt wurde, zu den Bergleuten hinabgelassen werden soll.
Chile bat unterdessen die US-Raumfahrtbehörde NASA um Unterstützung, denn
die Situation der Bergleute ist vergleichbar mit Astronauten, die monatelang
in Weltraumstationen ausharren.
Zwei Esslöffel Thunfisch und halbes Glas Milch
Die Bergleute
berichteten von ihrer strikt reglementierten Überlebensstrategie der
vergangenen Tage: Im Abstand von 48 Stunden gestatteten sich die Männer
jeweils zwei Esslöffel Thunfisch und ein halbes Glas Milch. Zudem
tranken die Kumpel das Wasser, das von den Höhlenwänden lief. Die Männer
verlangten nun nicht nur nach Nahrung und Zahnbürsten, sondern auch nach
etwas für ihre Augen, die unter dem Staub leiden.
Kumpel singen "Chi-chi-chi Le-le-le"
"Herr
Minister, es geht uns allen gut", sagte einer der Bergleute, der sich als
"Luis Urzua, Schichtleiter" vorstellte. Der Arbeiter fragte den
Bergbauminister Laurence Golborne nach dem Schicksal der Kollegen, die zum
Zeitpunkt des Einsturzes der Mine auf dem Weg nach draußen waren. "Alle sind
unversehrt herausgekommen", sagte Golborne. "Es gab keine Opfer." Die
Verschütteten reagierten auf die Nachricht mit lautstarkem Jubel und riefen
den bei Sportveranstaltungen üblichen Schlachtruf "Chi-chi-chi Le-le-le" und
stimmten die Nationalhymne ein.
Die Bergleute sind offenbar nur wegen einer fehlenden Leiter am Lüftungsschaft nicht rechtzeitig ins Freie gelangt. "Sie versuchten herauszukommen. Aber ihnen fehlte schlicht die Leiter dazu", sagte Golborne. Demnach hätten die Kumpel innerhalb der folgenden zwei Tage nach dem Einsturz der Mine ins Freie gelangen können. Erst nachträgliche Erdrutsche hätten den Zugang zum Lüftungsschacht dann endgültig versperrt.
Die Bergarbeiter harren seit dem 5. August in knapp 700 Metern Tiefe unter Tage aus. Damals stürzte die kleine Gold- und Kupfermine San Jose am Rand von Copiapo in der Atacama-Wüste, etwa 850 Kilometer nördlich der Hauptstadt Santiago, ein. Am Sonntag schickten die Verschütteten über eine heruntergelassene Sonde zwei kleine Briefe als erstes Lebenszeichen an die Außenwelt und lösten damit einen landesweiten Freudentaumel aus.