Welt-Analyse

Le Pen: Fußfessel statt Élysée-Palast

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Marine Le Pen darf 5 Jahre lang keine politischen Ämter ausüben. Doch sie kämpft und ruft zu Massendemos auf

Marine Le Pen, 56, galt als klare Favoritin für die Präsidentschaftswahl 2027 in Frankreich. Jahrelang hat sie darauf hingearbeitet. Jetzt das Hammerurteil: Wegen Veruntreuung öffentlicher EU-Gelder wurde sie schuldig gesprochen. Vier Jahre Haft.

Polit-Beben. Seit dem Urteil bebt Frankreich. Ihre Partei ruft zu Massenprotesten auf, die größte soll am Sonntag in Paris erfolgen. Was aber wird das ändern? Richterin Bénédicte de Perthuis sah Le Pen als "Drahtzieherin eines Systems von Scheinverträgen zur Bereicherung der Partei. Die Chefin des Rassemblement National (RN) hat während ihrer Zeit als EU-Abgeordnete vier ihrer Parlamentsassistenten widerrechtlich beschäftigt: Als Bodyguard, Pflegekraft und Helfer für persönliche Anliegen, ein klarer Betrug. Öffentlich hat Le Pen jahrelang gegen Korruption und Machtmissbrauch innerhalb der EU gewettert. Gleichzeitig hat sie das System für sich selbst und ihre Partei ausgebeutet. Sie hat Gelder für parlamentarische Assistenten vom EU-Parlament kassiert, dieses aber für sich selbst, die Partei und ihren Vater Jean Marie Le Pen, 98, arbeiten lassen. Insgesamt ging es um eine Summe von knapp sieben Millionen Euro. Nun warten Fußfessel und Karriere-Ende. Seit 2016 gilt in Frankreich ein Gesetz, das verlangt, dass korrupte Politiker sofort von Wahlen ausgeschlossen werden. Demnach darf LePen bis 2030 nicht mehr kandidieren, kann auch nicht an der Präsidentschaftswahl 2027 teilnehmen, für die sie als klare Favoritin galt. Noch kurz vor dem Schuldspruch sah eine Umfrage Le Pen bei 37 Prozent der Stimmen.

Drahtzieherin zur Bereicherung der Partei

Anfechtung. Doch Le Pen will das Urteil so nicht hinnehmen. Sie kämpft: "Wir haben weder gegen politische Regeln noch gegen die Vorschriften des Europäischen Parlaments verstoßen", kontert die 56-Jährige und lässt die Entscheidung anfechten. Drei Berufungen gingen bei Gericht ein. Das Hauptargument der Verteidigung: Das Antikorruptionsgesetz Loi Sapin 2 sieht zwar eine automatische Unwählbarkeit bei Veruntreuung öffentlicher Gelder vor, doch das Gericht hat sich in seinem Urteil nicht auf dieses Gesetz bezogen.

Le Pens Handlungen endeten spätestens am 15. Februar 2016 -das Gesetz trat aber erst im Dezember 2016 in Kraft. Die Aberkennung der Wählbarkeit war daher keine "zwingende Strafe". Dass sie dennoch verhängt und vorläufig vollstreckt wurde, ist eine bewusste Entscheidung der Richterin. Ein Berufungs-Gericht könnte bei gleicher Sachlage anders entscheiden.

Proteste. Die Frage ist jetzt, bis wann es eine Entscheidung über die Anfechtung des Urteils geben wird. Sollte es Le Pen gelingen, das Urteil zu kippen, könnte sie doch noch antreten: "Ich werde alle Rechtsmittel ausschöpfen, die mir zur Verfügung stehen. Ich lasse mir das nicht gefallen", so Le Pen. Ihre Partei hat bereits zu Protestkundgebungen aufgerufen, die größte wird diesen Sonntag in Paris stattfinden. Als Redner und Einpeitscher bei der Kundgebung im Zentrum der Stadt wird Jordan Bardella auftreten.

Le Pen: »Ich lasse mir das nicht gefallen!«

TikTok-Star. Bardella, 29, gilt als politischer Ziehsohn Le Pens. Schon bisher haben sich Marine Le Pen und er die Aufgaben an der Spitze des Rassemblement National geteilt. Der 29-jährige könnte die Kandidatur übernehmen. Schon bei den Europawahlen 2024 führte er die RN-Liste an und erzielte 31 Prozent, das beste Ergebnis aller französischen Parteien. Zehntausende Jugendliche kommen zu seinen Veranstaltungen, Millionen folgen ihm auf Tik-Tok. Zumindest seine jungen Anhänger trauen ihm zu, auch Frankreich zu regieren. Doch - warten wir ab.

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