Eine vorzeitige Entlassung ist für den berüchtigten Verbrecher ausgeschlossen.
Wegen vier Anschlägen auf französischem Boden hat ein Sondergericht in Paris den früheren Top-Terroristen "Carlos" am späten Donnerstagabend zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Das Gericht folgte damit dem Antrag der Staatsanwaltschaft und schloss eine vorzeitige Entlassung des 62-Jährigen, der mit richtigem Namen Ilich Ramirez Sanchez heißt, für die kommenden 18 Jahre aus. Die Anwältin des Venezolaners, Isabelle Coutant-Peyre, kündigte Berufung gegen das Urteil an.
Keine Reue
"Carlos" stand seit Anfang November vor einem Pariser Sondergericht. In dem Verfahren ging es um Anschläge in den Jahren 1982 und 1983 in Frankreich, bei denen elf Menschen starben und fast 150 verletzt wurden. In seinem Plädoyer zum Abschluss des Prozesses zeigte "Carlos" keine Reue, sondern entschuldigte sich lediglich bei ihm nahestehenden Menschen. "Es lebe die Revolution", rief er.
Mitangeklagt war der ehemalige Komplize des Venezolaners, Johannes Weinrich. Der heute 64-Jährige sitzt in Berlin wegen des Anschlags auf das französische Kulturinstitut Maison de France im Jahr 1983 lebenslang in Haft. Ein Berliner Gericht lehnte Ende 2009 eine Auslieferung nach Frankreich ab, weil Weinrich in Deutschland bereits zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt sei. Weinrich wurde in Paris in Abwesenheit ebenfalls zu lebenslänglich verurteilt.
Neben Weinrich richtete sich die Anklage auch gegen die heute 69-jährige Deutsche Christa Fröhlich, die unter dem Decknamen "Heidi" bekannt ist und in Deutschland leben soll. Dabei ging es um ein Attentat vom 22. April 1982 auf ein Büro einer arabischen Zeitung. Das Gericht sprach Fröhlich frei. Der vierte Angeklagte, der Palästinenser Ali Kamal al-Issawi, ist auf der Flucht. Auch er wurde zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.
Wichtiger Zeuge
Ramirez, der im Jahr 1994 im Sudan von französischen Spezialeinheiten festgenommen worden war, wurde bereits drei Jahre später in Paris zu lebenslanger Haft wegen der Ermordung zweier Geheimdienstagenten und eins V-Mannes verurteilt. Nun lautete die Anklage erstmals auf Terrorismus. In dem Prozess sagte im Dezember auch der deutsche Ex-Terrorist Hans-Joachim Klein aus. Klein, der sich schon im Jahr 1977 vom Terrorismus losgesagt hatte, beschrieb "Carlos" als skrupellosen Söldner.
Dokumente des früheren DDR-Staatssicherheitsdienstes belasteten "Carlos" zusätzlich. Die Stasi-Akten verstärkten den Verdacht, dass er in Anschläge verwickelt gewesen sei, sagte ein Geheimdienstagent Ende November.
Üerfall in Wien
Dem Venezolaner wird auch der Überfall auf die OPEC-Zentrale in Wien im Dezember 1975 angelastet, für den er nie verurteilt wurde. Bei dem Angriff kamen drei Menschen ums Leben. Die Terroristen, in deren Hand sich Dutzende Geiseln befanden, flohen mit einem gekaperten Flugzeug über Algerien in den Nahen Osten. Auf ihrer Flucht wurde "Carlos" vom damaligen österreichischen Innenminister Otto Rösch (S) auf dem Flugfeld in Schwechat per Handschlag verabschiedet, was diesem später heftige Kritik eintrug.
Im Prozess kündigte "Carlos" an, nach Venezuela zurückkehren zu wollen. "Der Kampf ist nicht beendet", sagte er. Der heute 62-Jährige operierte in den 70er und 80er Jahren weltweit. Seine Gruppe war mit der deutschen Roten-Armee-Fraktion und den italienischen Roten Brigaden vergleichbar. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, wäre dies ein herber Rückschlag für seine Hoffnungen, bald auf freien Fuß zu kommen. Eigentlich hätte "Carlos" im kommenden Jahr Antrag auf vorzeitige Haftentlassung stellen können.
Neben dem Anschlag gegen die arabische Zeitung ging es in dem zu Ende gegangenen Prozess um drei weitere Attentate. Im März 1982 wurde ein Anschlag auf einen Zug von Paris nach Toulouse verübt, für den auch Weinrich verantwortlich gemacht wurde. Zudem ging es um zwei Attentate auf den Bahnhof von Marseille und auf einen Zug von Marseille nach Paris, die sich am 31. Dezember 1983 ereigneten. Laut Anklage hatte "Carlos" die Anschläge in Auftrag gegeben, um die Freilassung von Komplizen zu erzwingen.