Im Kampf gegen den Super-GAU ist weiter kein Ende in Sicht.
In Japan ist auch zu Beginn der vierten Woche kein Ende im Kampf gegen den atomaren Super-GAU in Sicht. Stattdessen lieferte Reaktor 2 in Fukushima am Wochenende neue Hiobs-Botschaften: Es wurde ein Riss im Betonboden des Meilers entdeckt, aus dem radioaktiv verseuchtes Wasser in den Pazifik strömt. Bis Sonntag gelang es der Betreiberfirma Tepco nicht, das Leck abzudichten. Auf dem Gelände des Kraftwerks wurden die Leichen zweier seit dem Tsunami vom 11. März vermisster Arbeiter gefunden.
Verseuchtes Wasser ins Meer
Die japanische Regierung drängte Tepco zu einem raschen Verschluss des Lecks. Die Bevölkerung habe größtes Interesse daran, dass kein radioaktiv verseuchtes Wasser ins Meer ströme, sagte ein Berater von Ministerpräsident Naoto Kan. Tepco scheiterte zunächst mit dem Versuch, den Riss mit Beton zu schließen und setzte dann auf den Kunststoff Polymer.
Hohe Belastung
Im Reaktorinneren wurde eine radioaktive Belastung von 1.000 Millisievert pro Stunde gemessen. Normal sind ein bis zehn Millisievert pro Jahr. Das Leck könnte die Ursache sein für die hohen Strahlenwerte, die seit längerem im Meerwasser gemessen werden. Mehrere hundert Japaner protestierten am Sonntag vor der Tepco-Zentrale in Tokio gegen Atomkraft. Laut Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) in Wien könnten in den nächsten Tagen küstennahe Gebiete südlich des Reaktors aufgrund des Wetters beeinträchtigt werden. Das gelte auch für den Großraum Tokio.
Harter Kampf
Der Abfluss des radioaktiv verstrahlten Wassers verhindert eine weitere Kühlung der überhitzten Kernbrennstäbe im Atomkraftwerk mit Meerwasser. Als Alternative dazu prüfen Ingenieure nun unter anderem die Möglichkeit, mit einer verbesserten Luftkühlung zu arbeiten. "Wir dürfen in unserer Wachsamkeit nicht nachlassen, weil die Lage in Atomkraftwerk unberechenbar ist", sagte Regierungssprecher Yukio Edano.
Ministerpräsident Kan besuchte am Samstag erstmals seit dem schwersten Erdbeben in der Geschichte Japans die Region im Nordosten des Landes. Er sprach mit Arbeitern des Kraftwerks und Menschen, die durch die Natur- und Atomkatastrophe obdachlos geworden sind. 28.000 Menschen wurden getötet oder werden noch vermisst. Rund 164.000 Menschen leben noch immer in Notunterkünften.
In dem zerstörten Fischerdorf Rikuzentakata traf Kan Flüchtlinge, die seit dem Tsunami in Notunterkünften leben. "Es wird ein langer Kampf werden, aber die Regierung wird mit Ihnen bis zum Ende zusammenarbeiten", versprach er. Die Bauern aus der Region im Norden haben inzwischen Schwierigkeiten, ihre Produkte abzusetzen. "Wir haben keine Chance, etwas zu verkaufen", sagte der 73-jährige Landwirt Akio Abiko. "Die Menschen in Tokio sind einfach zu vorsichtig geworden."
Über die Lage in Japan will sich nun auch die Internationale Atomenergieagentur IAEA an Ort und Stelle informieren. Die UN-Behörde teilte in Wien mit, zwei Experten würden von Montag an mit japanischen Fachleuten beraten. Davon erhoffe sich die Organisation Informationen aus erster Hand.
Das Beben der Stärke 9,0 dürfte einen Sachschaden von bis zu 300 Milliarden Dollar (212 Milliarden Euro) angerichtet haben. Damit wäre es die teuerste Naturkatastrophe in der Geschichte. Ökonomen erwarten für die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt kurzfristig eine Wachstumsdelle. Im März war die Industrieproduktion so niedrig wie im Krisenjahr 2009. Die Bank von Japan will am Montag Aussagen zur wirtschaftlichen Stimmung machen.