Unter dem Schutzschirm der Alliierten sind jetzt die Rebellen wieder im Vormarsch.
Wieder riefen sie Siegesparolen, reckten das Victory-Zeichen, schossen Freudensalven in die Luft. Samstagvormittag haben libysche Aufständische die Küstenstadt Ajdabiya von Gaddafis Truppen zurückerobert, 160 Kilometer westlich von Bengasi.
Schon vor drei Wochen waren die Rebellen erstmals in die 140.000-Einwohner-Stadt einmarschiert. Einige Tage konnten die Aufständischen das Ölzentrum halten. Dann rückten wieder Gaddafis Panzereinheiten vor. Die damals noch schlecht ausgerüsteten Rebellen hatten kaum eine Chance.
Gezielte Luftangriffe gegen Gaddafi-Panzer
Jetzt aber brachten britisch-amerikanisch-französische Flugzeuge die rasche Wende: Sie feuerten in der Nacht zum Samstag in mehreren Angriffswellen Dutzende Raketen auf die Panzereinheiten ab. Machten so den Weg für einen neuerlichen Angriff der Rebellen frei.
Die Soldaten des Diktators konnten dieser Übermacht nicht standhalten. Fluchtartig verließen sie ihre Panzer. Zurück blieben ausgebrannte Wracks getroffener Fahrzeuge, zerstörte Panzer, verglühte Geschütze. Aber auch eine Vielzahl von Kriegsgerät, das Gaddafis Soldaten bei ihrer raschen Flucht zurücklassen mussten.
Aufrüstung der Rebellen mit alliierten Waffen?
Die Luftoffensive bei Ajdabiya war die zweite direkte Luftoperation gegen Gaddafis Bodentruppen. Auffällig war auch, dass die Rebellen inzwischen deutlich koordinierter vorgehen und über eine Vielzahl von schweren Waffen verfügen, die sie vor zwei Wochen noch nicht hatten.
Kombiniert mit den intensiven und punktgenauen Luftangriffen ergibt das inzwischen eine deutliche Veränderung des strategischen Gleichgewichts: „Die Luftschläge geben den Rebellen Deckung, um weiter vorzumarschieren“, regte sich deshalb Gaddafis Propagandaminister Ibrahim Mussa bei einer Pressekonferenz in der libyschen Hauptstadt Tripolis auf: „Das hat mit dem Mandat der UN-Sicherheitsratsresolution 1973 nichts mehr zu tun, das sich lediglich auf den Schutz der Zivilbevölkerung erstreckt.“
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Geheime Verhandlungen in Wien?
Schon vor Beginn der Luftangriffe (19. März) wurde versucht, über die Achse Wien eine Gesprächsbasis zwischen Washington und dem Gaddafi-Clan herzustellen. In Wien-Schwechat stand sogar ein Jet für den Flug nach Tripolis bereit.
Organisiert wurde der Trip von Kontaktleuten des Gaddafi-Sohns Saif al-Islam, der in Wien studierte, in Döbling eine Villa besitzt. Der Flug wurde im letzten Moment abgesagt.
Jetzt ist die Geheimdiplomatie wieder aktiviert worden. Laut Nachrichtenagentur Reuters soll der ägyptisch-libanesische Geschäftsmann Roger Tamez hinter den Aktivitäten stehen. Bei den Gesprächen geht es um einen möglichen Waffenstillstand, aber auch um freies Geleit für Mitglieder der Familie Gaddafis.
Parallel dazu soll auch die US-Botschaft in Wien versucht haben, via Österreich mit Saif al-Islam in Kontakt zu treten. Im Außenministerium in Wien wird dies allerdings dementiert: „Uns ist derartiges nichts bekannt“, sagte Außenamtssprecher Peter Launsky-Tieffenthal zu ÖSTERREICH.
Karl Wendl