Machtkampf in Ägypten
Polizei räumt gewaltsam Moschee in Kairo
17.08.2013
Schusswechsel bei Gebetshaus - Land droht in Bürgerkrieg abzurutschen.
Ägyptischen Sicherheitskräften ist es offenbar gelungen, die seit Freitagabend von hunderten Anhängern der Muslimbrüder belagerte Al-Fath-Moschee in Kairo zu räumen.
Anrainer der Moschee gingen teils mit Stöcken und Eisenstangen auf Anhänger des gestürzten Staatschefs Mohammed Mursi los. Offiziellen Angaben zufolge wurden landesweit binnen 24 Stunden mehr als 170 Menschen getötet.
Die Islamisten hielten sich seit Freitag in der Al-Fath-Moschee auf dem zentralen Ramses-Platz verschanzt. Das Gotteshaus diente ihnen auch als Leichenhalle - dutzende bei den Protesten am "Freitag der Wut" getötete Demonstranten lagen aneinandergereiht auf dem Boden.
Am Samstagnachmittag eskalierte die Lage. Von verschiedenen Seiten wurde scharf geschossen und über dem Vorplatz hing Tränengas. Die ägyptische Nachrichtenagentur Mena meldete, Bewaffnete hätten vom Minarett aus das Feuer eröffnet. Danach begannen die Sicherheitskräfte, die Menschen einzeln aus dem Gotteshaus zu holen. Wenig später hieß es, das Gebäude sei vollkommen geräumt worden.
Beim Verlassen der Moschee griffen wütende Anrainer die Islamisten an. "Das sind Terroristen", rief die aufgebrachte Menge. Auch in anderen Teilen Kairos griffen Zivilisten mutmaßliche Islamisten an - oft nur, weil sie einen Bart trugen. Die ägyptische Bevölkerung ist seit dem Sturz Mursis durch das Militär Anfang Juli tief gespalten.
VIDEO: Tag der Wut in Ägypten
Sohn von Muslimburder-Oberhaupt durch Schussverletzung gestorben
Der Sohn von Muslimbrüder-Oberhaupt Mohammed Badie, Ammar Badie, ist bei den Unruhen in der ägyptischen Hauptstadt Kairo am Freitag getötet worden, teilte der politische Arm der Muslimbrüder am Samstag auf seiner Facebook-Seite mit.
Ammar Badie sei an den Folgen einer Schussverletzung gestorben, die er am Freitag im Rahmen der Proteste am Ramses-Platz erlitten habe, hieß es. Der momentane Aufenthaltsort seines Vaters Mohammed ist unbekannt. Er wurde wegen "Anstachelung zum Hass" angeklagt, der Prozess gegen ihn soll am 25. August beginnen.
Führung: Muslimbrüder können am Übergang teilhaben
Die ägyptische Führung sicherte Mitgliedern der Muslimbrüder eine Teilhabe am politischen Übergangsprozess zu, sofern diese nicht für Gewalttaten verantwortlich sind. Übergangsregierungschef Hazem al-Beblawi sagte jedoch, es könne keine Aussöhnung mit denen geben, die "Blut an den Händen" oder gegen das Gesetz verstoßen hätten.
Mansur-Berater Mustafa Hegasi wies am Samstag zurück, dass die Regierung die Auflösung politischer Gruppierungen plane. Sie werde aber gegen diejenigen rechtlich vorgehen, die zu Gewalt aufgerufen oder Gewalt eingesetzt hätten, sagte der Präsidentenberater.
Deutsche Regierung will Waffenexporte stoppen
Angesichts der blutigen Zusammenstöße in Ägypten will die deutsche Regierung keine neuen Waffenexporte in das Land genehmigen. Die deutsche Rüstungsexportpolitik sei ohnehin restriktiv, sagte Außenminister Guido Westerwelle dem Nachrichtenmagazin "Focus". "Und das wird so bleiben, gerade mit Blick auf diese aktuellen Entwicklungen." Dem Bericht zufolge prüft die deutsche Regierung derzeit, wie mit bereits genehmigten, aber noch nicht erfolgten Waffenexporten umgegangen werden soll.
Zahl der Toten am Freitag auf mehr als 100 gestiegen
Nach den blutigen Zusammenstößen am "Freitag der Wut" in Ägypten ist die Zahl der Toten auf mehr als 100 gestiegen. Das ägyptische Nachrichtenportal youm7 meldete am Samstagmorgen unter Berufung auf Ärzte, alleine in der Hafenstadt Alexandria seien bei Ausschreitungen zwischen gewaltbereiten Demonstranten und der Polizei am Freitag und in der Nacht 25 Menschen getötet worden. Die Ärzte zählten rund 100 Verletzte.
In Kairo, Al-Arish und mehreren Provinzen im Nil-Delta waren während der Proteste und Angriffe der Islamisten auf öffentliche Gebäude am Freitag etwa 80 Menschen getötet worden.
Islamisten planen neue Proteste
Ungeachtet der neuen Zusammenstöße in Ägypten wollen die Muslimbrüder ihre Protestaktionen in den nächsten Tagen fortsetzen. Erklärtes Ziel der Bruderschaft ist die Wiedereinsetzung des Anfang Juli vom Militär entmachteten islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi.
Machtkampf zwischen Islamisten und Mursi-Gegnern
Der seit Wochen schwelende Machtkampf zwischen Islamisten und Mursi-Gegnern war am Mittwoch eskaliert, als Sicherheitskräfte zwei zentrale Camps der Muslimbrüder in Kairo gewaltsam geräumt hatten. Das Vorgehen der Polizei und anschließende Angriffe von Islamisten forderten bisher etwa 600 Tote. Die Islamisten pochen auf die Wiedereinsetzung Mursis, der seit seiner Absetzung durch die Armee am 3. Juli an einem geheimen Ort festgehalten wird.