Premier Davutoglu will offenbar aus Portest gegen Erdogan zurücktreten.
Der Machtkampf zwischen dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und Ministerpräsident Ahmet Davutoglu über die künftige Ausrichtung der Regierungspartei AKP spitzt sich zu. In Erdogans Umfeld wurde am Mittwoch darüber spekuliert, dass der zunehmend auf einen autoritären Kurs setzende Präsident Davutoglu aus dem Amt drängen könnte.
Rücktritt?
Zwei führende türkische Zeitungen, "Hürriyet" und "Cumhuriyet", hatten am Mittwoch über Überlegungen Davutoglus über einen möglichen Rücktritt wegen des Machtkampfes mit Erdogan berichtet. Der "Hürriyet"-Kolumnist Abdülkadir Selvi, der für seine guten Kontakte in der Regierung bekannt ist, hatte die Bemühungen zur Absetzung Davutoglus als Wendepunkt für die Partei beschrieben.
"Bei der Stabilität der AKP geht es um die Stabilität der Türkei", sagte auch eine mit dem Vorgang vertraute Person aus der Umgebung Erdogans der Nachrichtenagentur Reuters: "Dieses Problem muss schnell gelöst werden, um wirtschaftliche und politische Probleme zu vermeiden."
Verfassungsänderung
Davutoglu hatte nach Erdogans Wechsel ins Präsidentenamt vor zwei Jahren von diesem die Rolle des Ministerpräsidenten und des AKP-Chefs übernommen. Beide streiten unter anderem über eine Verfassungsänderung, die dem Staatschef mehr Macht verleihen würde. Außerdem hatte die AKP kürzlich Davutoglus Einfluss als Parteichef beschnitten. Beide Politiker wollten am Nachmittag zu einem Gespräch zusammenkommen. Wegen der Spannungen knickte der türkische Aktienleitindex zeitweise um 3,5 Prozent ein.
"Erdogan könnte mit Davutoglu weitermachen, aber zurzeit gibt es einen Bruch", hieß es in Erdogans Umgebung. Wenn es nicht gelinge, den Streit beizulegen, könne es sein, dass Erdogan einen anderen Ministerpräsidenten nominiere. Drei AKP-Vertreter sagten Reuters, das um einen Tag vorverlegte Treffen der beiden werde entscheidend für die weitere Ausrichtung der konservativ-islamischen AKP sein. Mit einem Rücktritt Davutoglus vom Amt des Regierungschefs rechneten sie aber nicht.
Umstritten ist auch der außenpolitische Kurs der Türkei. Hauptantreiber der Flüchtlingsvereinbarung der EU mit der Türkei war Davutoglu. Ein hochrangiger EU-Vertreter sagte gegenüber Reuters: "Es scheint so, dass Davutoglu die Türkei tatsächlich in die EU führen will, Erdogan ist da nicht so leidenschaftlich." Der Chef des Forschungsinstituts EDAM in Istanbul, Sinan Ulgen, sagte, Erdogans Ziel sei ein Präsidialsystem. Dagegen wolle Davutoglu seine Macht festigen und als Regierungschef erfolgreich sein.