Glück
Mega-Asteroid verpasst Erde Streifschuss
03.11.2011
Asteroid "2005 YU 55" hat etwa die Größe eines Flugzeugträgers.
Der kosmische Brocken ist etwa so groß wie ein Flugzeugträger, und er wird nur knapp an der Erde vorbeischrammen: Der Asteroid mit der Bezeichnung 2005 YU55 ist im Anflug - am nächsten Dienstag wird der 400-Meter-Brocken unseren Planeten nach NASA-Berechnungen im Abstand von nur gut 324.000 Kilometern passieren.
"Streifschuss"
Das ist weniger als die Distanz zwischen Erde und Mond und nach astronomischen Maßstäben ein Streifschuss. Zuletzt ist 1976 ein Asteroid dieser Größe der Erde so nahe gekommen. Der Besuch von 2005 YU55 bietet Astronomen nun die seltene Chance, Urgestein aus der Entstehungszeit des Sonnensystems zu erforschen - ohne eine Raumsonde ins All schicken zu müssen.
Erst im Jahr 2028 wird nach derzeitigem Wissensstand erneut ein Asteroid vergleichbarer Größe so dicht an der Erde vorbeiziehen, wie das Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena im US-Bundesstaat Kalifornien errechnet hat. Doch trotz seines engen Vorbeiflugs wird 2005 YU55 mit bloßem Auge nicht zu sehen sein - selbst für Hobby-Astronomen lohnt sich die Suche nur, wenn sie über größere Teleskope verfügen. Überhaupt wird die Stippvisite des Asteroiden denkbar unspektakulär verlaufen: Laut NASA übt seine Schwerkraft keinen messbaren Effekt auf die Erde aus, weder auf die Gezeiten noch auf die tektonischen Platten der Erdkruste.
Überbleibsel
Der Asteroid 2005 YU55 gilt wie seine zahllosen Artgenossen im All als Überbleibsel der Entstehung unseres Sonnensystems vor rund 4,6 Milliarden Jahren - und er zählt zu den Gesteinsbrocken, die auf ihrer Bahn um die Sonne der Erde ungemütlich nahe kommen können. Einen Einschlag des "Flugzeugträger-Asteroiden" auf der Erde können die JPL-Forscher aber zumindest für die nächsten hundert Jahre ausschließen. Zum Glück für unseren Planeten, denn eine solche Kollision hätte verheerende Folgen, wie Einschläge in der Vergangenheit beweisen.
So raste am 30. Juni 1908 ein Gesteinsbrocken aus dem All auf eine abgeschiedene Region in Sibirien zu. Mit 70.000 Stundenkilometern drang er in die Atmosphäre ein und explodierte über dem Fluss Steinige Tunguska. Die Explosion löste eine Druckwelle aus, die mit der Sprengkraft von mehreren hundert Hiroshima-Atombomben das sibirische Waldgebiet weiträumig verwüstete. Der Durchmesser des Tunguska-Geschosses wird heute auf 50 Meter geschätzt - also gerade mal ein Achtel des Durchmessers, den 2005 YU55 aufweist.
Schlimmere Treffer
Aber auch von weitaus größeren Brocken wurde die Erde bereits getroffen: Vor 15 Millionen Jahren donnerte ein kilometergroßer Brocken auf die Schwäbische Alb herab und hinterließ einen Krater, der heute als Nördlinger Ries bekannt ist. Und vor 65 Millionen Jahren schlug ein zehn Kilometer großer Asteroid auf der mexikanischen Halbinsel Yukatan ein und löste einen Klimawandel aus, der höchstwahrscheinlich zum Aussterben der Dinosaurier beitrug.
Im Vergleich mit diesem Riesen-Asteroiden ist der im Dezember 2005 entdeckte 2005 YU55 zwar ein Knirps. Doch sollte der zur Klasse der sogenannten Apollo-Asteroiden gehörende Brocken einst mit der Erde kollidieren, würde dabei die Sprengkraft von zigtausenden Hiroshima-Bomben freigesetzt. Außerdem drohten Erdbeben und Tsunamis von ungeheurer Zerstörungskraft.
Große Spannung
Während die Erdbewohner zumindest dem nun bevorstehenden Rendezvous mit 2005 YU55 beruhigt entgegensehen können, herrscht bei den Astronomen große Spannung. "Als in der Vergangenheit erdnahe Objekte dieser Größe innerhalb der Mondbahn an der Erde vorbeigeflogen sind, hatten wir noch nicht das Wissen und die Technologie, um die Gelegenheit zu nutzen", sagt die JPL-Wissenschaftlerin Barbara Wilson. Der Vorbeiflug von 2005 YU55 biete nun eine "großartige Möglichkeit", den Asteroiden mit Instrumenten von der Erde aus zu beobachten. Dabei hoffen die Forscher vor allem, seine mineralische Zusammensetzung zu entschlüsseln. Denn dies würde Wilson zufolge Rückschlüsse erlauben, welche Asteroiden "am besten geeignet sind für eine künftige bemannte Mission".