12 Alpinisten starben am Manaslu (8.316 m). Bergsteiger-Ikone Reinhold Messner nennt die Gründe.
Der Tod holt sie im Schlaf. Kurz nach vier Uhr früh, am Manaslu (8.361 Meter) in Nepal: Eine Lawine löst sich, reißt fast 30 Zelte mit. Zwölf Bergsteiger werden unter ihr begraben: Italiener, Franzosen, Spanier, ein Deutscher. Sieben Österreicher überleben, der Skilehrer Robert Hochreiter (50) aus dem Pongau und Fritz Mayer aus Hinterstoder entrinnen dem weißen Tod nur ganz knapp.
„Höllisch gefährlich.“
Einer, der weiß, wie es da oben ist, allein mit dem Manaslu und seinen Gefahren, den herabdonnernden Lawinen und Steinschlägen, ist Bergsteiger-Ikone Reinhold Messner (68). 1972, heute vor 40 Jahren, kletterte er mit einer Gruppe den 8000er an der schwierigen Südflanke empor – gegenüber, an der Nordflanke, sah er Alpinisten sterben. Im selben Gebirge, aber 2.000 Kilometer von der Unglücksstelle entfernt, verlor er 1970 seinen geliebten Bruder Günther. Er kennt die Tücken des Manaslu und sagt im ÖSTERREICH-Interview über das Drama: „Die Route ist leicht, aber höllisch gefährlich wegen der Lawinen.“ Und Messner kritisiert den Alpin-Tourismus, das Gedränge am Berg. „Wie die Lemminge sind sie rauf und keiner hat geschaut, ist das Lager auf einem sicheren Platz.“
ÖSTERREICH: Wäre die Tragödie zu verhindern gewesen?
Reinhold Messner: Die Bergsteiger sind über die Nordflanke des Manaslu gegangen. Man weiß, dass diese Seite zwar leicht ist, aber höllisch gefährlich aufgrund der Lawinengefahr. Die sichere Route wäre die Südkante, die ist aber steil und schwierig zu klettern. Man kann den Bergsteigern keinen Vorwurf machen. Das Problem ist, dass so viele Bergsteiger zur selben Zeit an einem Berg sind und sich verlassen auf die Vorbereiter der Piste.
ÖSTERREICH: Was heißt das?
Messner: Die Regierung in Nepal hat ad hoc Genehmigungen für große Berge ausgegeben. Viele Bergsteiger, die auf den Cho Oyu wollten, sind zum Manaslu. Es waren mehr als 200 Leute im Basislager. Wie die Lemminge sind sie hintereinander hinauf und keiner hat geschaut, ist das Lager an einem sicheren Platz.
ÖSTERREICH: Warum kann das problematisch sein?
Messner: In der kleinen Gruppe ist man viel aufmerksamer. Dieses Lemminge-Verhalten hat die großen Katastrophen im Himalaya erst ausgelöst.
ÖSTERREICH: Mussten sie mit der Lawine rechnen?
Messner: Die Lawine kam, weil sie kommt. Ich war vor 40 Jahren auf dem Manaslu, wir sind aber die Südflanke geklettert und auf der anderen Seite waren Koreaner und ein Dutzend von ihnen sind gestorben – an derselben Stelle. Man weiß seit den Anfängen des Bergsteigens am Manaslu, dass diese Hänge gefährlich sind. Trotzdem gehen die Menschen zu Hundertschaften hinauf. Man darf sich nicht wundern, dass mehrere umkommen.
ÖSTERREICH: War es unverantwortlich, dass die Österreicher es gewagt haben?
Messner: Ich bin da leider sehr zynisch. So lange Menschen auf die Berge gehen, werden Menschen am Berg sterben. Der Fehler ist, dass Bergsteiger glauben, wenn Tausende unterwegs sind, ist es weniger gefährlich. Es ist weniger anstrengend, weil eine Piste entsteht. Aber kein großer Bergsteiger geht auf den Pisten.
ÖSTERREICH: Ist es moralisch vertretbar, dass trotz der Toten viele Bergsteiger weiter nach oben sind?
Messner: Moral gibt es hier nicht. Wir haben auch nicht das Recht, das von unten zu beurteilen. Wenn diese Bergsteiger keine Kameraden aus ihrer Gruppe verloren haben, verstehe ich, dass sie weitergehen.