Blutbad in Syrien

Assad lässt auf Demonstranten schießen

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Proteste: Mehr als 80 Tote durch Heckenschützen vermeldet.

Die Gewalt in Syrien ist am Freitag eskaliert: Syrischen Menschenrechtsaktivisten zufolge wurden bei erneuten Massenprotesten in mehreren Städten mehr als 80 Menschen von Sicherheitskräften getötet und Hunderte weitere verletzt. Es ist die höchste Todeszahl an einem Tag seit Beginn der Proteste im März. Washington und London zeigten sich besorgt. Mehr als 100.000 Menschen gingen in ganz Syrien auf die Straße, um ein Ende der Gewaltherrschaft zu fordern.

Unterdessen fordern zahlreiche Politiker ein Ende der Gewalt.

Massaker durch Heckenschützen
"Die Sicherheitskräfte haben heute in mehreren Städten und Regionen Syriens Massaker angerichtet, mit bis jetzt 72 Toten und Hunderten Verletzten", teilte das in London ansässige syrische Menschenrechtskomitee mit. Mehrere von Menschenrechtsaktivisten veröffentlichte Listen führten ebenfalls mehr als 70 Todesopfer der auf Dächern platzierten Heckenschützen in zivil namentlich auf. Später war sogar von 88 Toten die Rede.

Der Chef der nationalen syrischen Menschenrechtsorganisation, Ammar Qurabi (Kurabi), sprach in einer Mitteilung zunächst von "49 Toten und 20 vermisst gemeldeten Personen". Nach Angaben von Nichtregierungsorganisationen wurden allein in der Ortschaft Isra (auch: Esreh, Asraa) in der südlichen Provinz Daraa (Deraa) 15 Menschen getötet, 15 weitere in Homs im Landesinnern. In mehreren Vorstädten von Damaskus kamen demnach insgesamt mindestens 30 Menschen ums Leben, weitere in anderen Städten. In Isra war ein einjähriges Kleinkind unter den Toten, wie eine Menschenrechtsanwältin in Damaskus sagte.

In Damaskus trieben Sicherheitskräfte knapp 200 Demonstranten auseinander. Zuvor hatten die Teilnehmer Slogans wie "Freiheit, Freiheit" und "Das syrische Volk ist eins" gerufen, wie der Chef der Syrischen Liga zur Verteidigung der Menschenrechte, Abdel Karim Rihaui, sagte. Es war eine der größten Kundgebungen in Damaskus seit Beginn der Protestwelle Mitte März.

Ausnahmezustand aufgehoben
Präsident Assad hatte am Donnerstag per Dekret den seit 1963 geltenden Ausnahmezustand aufgehoben, der die meisten Bürgerrechte außer Kraft gesetzt hatte - eine zentrale Forderung der Demokratie-Bewegung. Laut Staatsfernsehen erließ er zudem zwei Dekrete zur Abschaffung des Staatssicherheitsgerichts, das außerhalb des ordentlichen Rechtssystems agiert, sowie zum Recht der Bevölkerung auf friedliche Demonstrationen. Oppositionelle bezeichneten die Maßnahmen als unzureichend.

Die US-Regierung forderte Syrien erneut auf, die Gewalt gegen die Demonstranten zu stoppen und die versprochenen Reformen einzuleiten. "Wir bedauern den Einsatz von Gewalt", sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney. Washington beobachte die Lage sehr genau. Der britische Außenminister William Hague verurteilte das "nicht hinnehmbare Töten von Demonstranten durch die syrischen Sicherheitskräfte".

Die Regimemedien bezeichneten die Heckenschützen als "unidentifizierte Bewaffnete". Etliche davon seien von den Sicherheitskräften festgenommen worden, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Sana. Nach Einschätzung der Aktivisten sind aber die Heckenschützen Teil des mächtigen Geheimdienstes. Im Polizei- und Geheimdienst-Staat Syrien ist es unvorstellbar, dass sich Bewaffnete in einer derartigen Zahl und Koordinierung auf den Hausdächern in den Zentren der wichtigsten Städte einrichten können.

Bisher mehr als 300 Tote
Bisher sind der Gewalt der Sicherheitskräfte seit Beginn der Proteste in Syrien nunmehr rund 300 Menschen zum Opfer gefallen. Verlangten die Proteste bisher nur echte Reformen und Freiheiten, so dominierten am Freitag bereits die Forderungen nach dem Rücktritt Assads und nach einem Regimewechsel. Auch gingen die Demonstranten nunmehr gezielt gegen die Symbole der Assad-Diktatur vor. In Damaskus etwa wurde, wie auf Oppositions-Webseiten zu sehen war, eine Statue von Hafis Assad gestürzt und mit Füßen getreten. Der Vater des jetzigen Präsidenten hatte mit seinem Putsch im Jahr 1963 die gegenwärtige Familienherrschaft begründet. Solche Szenen wären noch vor vier Wochen undenkbar gewesen, meinten Beobachter.
 

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