Datenschutz

Ministerin macht Druck auf Facebook

06.04.2010

CCC: "Es ist wie eine Krake, die sich alles von den Nutzern holt."

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Die deutsche Verbraucherministerin Ilse Aigner fordert von dem Online-Netzwerk Facebook ein sofortiges Signal für mehr Datenschutz. "Ich erwarte, dass Facebook umgehend reagiert, zumal die Kritik vonseiten der Nutzer immer lauter wird", sagte sie am Dienstag der Nachrichtenagentur dpa in Berlin. "Mit weltweit mehr als 400 Millionen Nutzern sollte Facebook ein Vorbild beim Datenschutz sein, nicht Schlusslicht." Aigner hatte Facebook in einem offenen Brief mit einer Kündigung ihrer Mitgliedschaft gedroht, wenn Daten der Nutzer ohne deren Einwilligung weitergegeben werden.

"Wie eine Krake"
Der Chaos Computer Club (CCC) warnte vor Datenschutzlecks. "Wenn man erstmal drin ist, ist es eine Krake, die sich alles von den Nutzern holt", sagte Sprecher Frank Rosengart. Der Zweck der sozialen Netzwerke sei es letztlich, Geschäfte zu machen. Die Politik hat nach Ansicht des CCC kaum eine Handhabe. "Die Facebook-Nutzer haben mit dem amerikanischen Unternehmen eine Nutzungsvereinbarung", sagte Rosengart. Damit unterliege das Netzwerk nicht deutschem Recht.

Aus den USA gab es von Facebook zunächst keine Stellungnahme. Eine deutsche Sprecherin sagte aber in Hamburg, das Unternehmen nehme die Reaktionen und die Kritik der Nutzer "sehr ernst".

Hier der Brief im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Zuckerberg,
mit großer Verwunderung habe ich gesehen, dass "Facebook" ungeachtet der Bedenken von Nutzern und massiver Kritik von Verbraucherschützern den Datenschutz im Netzwerk weiter lockern möchte. Wie es in Ihrer aktuellen Datenschutzrichtlinie heißt, sollen künftig Nutzerdaten automatisch an Dritte weitergegeben werden. Dabei soll es sich um vorab überprüfte Website- und Applikationen-Betreiber handeln. Wer dies nicht möchte, muss selbst tätig werden und aktiv die Opt-Out-Funktion benutzen.
Ich nutze jeden Tag, beruflich wie privat, das Internet, und bin Mitglied in mehreren sozialen Netzwerken, darunter auch bei Facebook. Soziale Netzwerke sind eine Bereicherung und aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Gerade weil Netzwerke wie Facebook Millionen von Menschen über Ländergrenzen hinweg miteinander vernetzen, muss der Schutz der Privatsphäre einen hohen Stellenwert haben. Wie Sie wissen, setze ich mich als Bundesverbraucherministerin mit Nachdruck dafür ein, dass der Schutz personenbezogener Daten im Internet gewährleistet wird. Privates muss privat bleiben - ich denke, ich spreche hier für viele Internet-Nutzer. Leider achtet Facebook diesen Wunsch nicht, was auch durch die jüngste Studie der "Stiftung Warentest" belegt wurde. Facebook schneidet hier schlecht ab. Im Umgang mit Benutzerdaten und bei Nutzerrechten ist jeweils die Note "mangelhaft" vergeben worden. Bei der Datensicherheit hat sich Facebook nicht in die Karten blicken lassen – dafür gab es ebenfalls die Note 5.
Umso erstaunlicher ist es, dass Facebook nicht gewillt ist, die bestehenden Mängel im Datenschutz abzustellen, sondern stattdessen noch weitergehende Eingriffe vornimmt. Mit solchen Entscheidungen kann ein Unternehmen auf Dauer kein Vertrauen gewinnen.
Ich erwarte von Facebook, die Datenschutzrichtlinie umgehend zu überarbeiten.
Facebook muss sicherstellen, dass die persönlichen Daten aller Mitglieder umfassend geschützt werden.
Geplante Änderungen der Nutzungsbedingungen müssen allen Mitgliedern klar und deutlich bereits vor jeder Änderung mitgeteilt werden.
Grundsätzlich dürfen persönliche Daten nicht ohne Einwilligung automatisch an Dritte zu kommerziellen Zwecken weitergeleitet werden. Eine Weiterleitung und Kommerzialisierung privater Daten darf nur mit Zustimmung der betroffenen Personen erfolgen. Gerade weil besonders jungen Nutzern meist nicht bewusst ist, dass ihre persönlichen Profile zu kommerziellen Zwecken genutzt werden sollen, kommt Unternehmen wie Facebook eine besondere Verantwortung zu.
Sollte Facebook nicht bereit sein, seine Firmenpolitik zu ändern und die eklatanten Missstände zu beheben, sehe ich mich gezwungen, meine Mitgliedschaft zu beenden.

Ilse Aigner
Bundesverbraucherschutzministerin

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