Vor Auslieferung
Mladic: Erdbeeren und TV im Gefängnis
28.05.2011
Die serbischen Medien reißen sich um den "Schlächter von Srebrenica".
Knapp 48 Stunden nach seiner Festnahme benimmt sich der einstige Militärchef der bosnischen Serben, Ratko Mladic, wie ein Medienstar. Und das Interesse ist ihm sicher. Andererseits versuchen seine Familienangehörigen, unter Berufung auf seine angeschlagene Gesundheit die Auslieferung an das UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen im einstigen Jugoslawien (ICTY) hinauszuzögern. Bisher hat sich Mladic bei der Anhörung im Belgrader Sondergericht für Kriegsverbrechen offenbar geweiget, die Anklage entgegenzunehmen.
"Ihr habt Milosevic gewählt, nicht ich"
Während die Familie behauptet, dass Mladic Redeschwierigkeiten habe und seine rechte Körperhälfte infolge frühere Gehirnschläge gelähmt sei, legte der Haager Angeklagte im Sondergericht seine bekannten Charakterzüge an den Tag. So sickerte durch, dass er sogar im Gerichtssaal noch Befehle erteilte: "Gebt mir einen Stuhl!", soll er laut der Tageszeitung "Blic" forsch gefordert haben. Dem Wachdienst galt auch die Bemerkung "Wie meine Truppen". Während der Anhörung bemerkte er: "Ihr habt (den einstigen jugoslawischen Präsidenten Slobodan) Milosevic gewählt, nicht ich. Wer hat also die Schuld?".
Erdbeeren, TV und die Pensionskassa
Auch Spezialwünsche sind nicht ausgeblieben. Mladic orderte Erdbeeren, Bücher und ein Fernsehgerät für die Gefängniszelle. Lieblingslektüre: einige Bücher von Nikolaj Gogol und Leo Tolstoj. Der Vize-Sonderstaatsanwalt für Kriegsverbrecher, Bruno Vekaric, sorgte für prompte Erfüllung der Wünsche.
Damit war aber noch nicht genug. Er wolle seine Pension zurückbekommen, erklärte Mladic am Freitag. Die Auszahlung der Rente an seine Frau Bosiljka in der Höhe von 900 Euro wurde Ende 2005 eingestellt. Auf einem Sonderkonto der Pensionskasse liegen derzeit rund 47.000 Euro, ein Vermögen für die serbischen Verhältnisse.
Will auch Grab seiner Tochter besuchen
Der Offizier in Ruhe habe den Anspruch auf die Pension, auch wenn er vor dem UNO-Tribunal verurteilt werde, versicherte Staatspräsident Boris Tadic am Freitag. Ein weiterer Wunsch von Mladic ist es auch, das Grab seiner Tochter Ana auf einem Belgrader Friedhof besuchen zu können, bevor er ausgeliefert wird. Die erfolgreiche Medizinstudentin hatte sich im Frühjahr 1994 erst 23-jährig das Leben genommen. Aie soll kurz zuvor von Studienkollegen mit der brutalen Realität des Bosnien-Kriegs konfrontiert worden sein.
Gesundheitsminister kam prompt zu Besuch
Ein Wunsch des mutmaßlichen Kriegsverbrechers, einen Besuch des Gesundheitsministers Zoran Stankovic zu erhalten, ging ebenfalls prompt in Erfüllung. Mladic' alter Bekannter machte ihm am Freitagnachmittag die Aufwartung.
Die serbische Medien befassen sich intensiv mit jeder Äußerung von Mladic. Ihr Interesse an der Haager Anklage oder gar an seinen mutmaßlichen seinen Opfern ist hingegen gering. Dabei wird sich Mladic vor dem Haager Gericht für den schwersten Massenmord in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg zu verteidigen haben.
Von seinen Truppen wurden nach der Einnahme der ostbosnischen UNO-Schutzzone Srebrenica im Juli 1995 rund 8.000 Männer vor Augen der Blauhelme aussortiert und ermordet. Der staatliche TV-Sender RTS brachte freilich schon einen Dokumentarfilm zu Srebrenica. Spät am Abend, schon in der Nacht auf Freitag.
Serbien will Auslieferungstermin geheim halten
Die serbischen Behörden wollen den genauen Termin für die Auslieferung des ehemaligen Militärchefs der bosnischen Serben, Ratko Mladic, an das UNO-Sondertribunal für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien (ICTY) geheim halten. Arbeitsminister Rasim Ljajic begründete Medien gegenüber die Entscheidung mit dem Sicherheitsrisiko. Eine Destabilisierung des Landes wegen der Festnahme von Mladic würde allerdings nicht drohen, versicherte er laut der staatlichen Presseagentur Tanjug.