Auch Kroatien und Mazedonien sind offiziell Beitrittswerber.
Die Europäische Union hat einen weiteren Beitrittskandidaten. Beim EU-Gipfel am Freitag ist dem Balkanstaat Montenegro offiziell der Kandidatenstatus verlieren worden, teilten Diplomaten nach Abschluss des Treffens der EU-Staats- und Regierungschefs mit. Die erst seit vier Jahren unabhängige Republik ist damit der dritte Staat am Westbalkan nach Kroatien und Mazedonien, der offiziell als EU-Beitrittswerber gilt. Montenegro hatte im Jahr 2008 einen EU-Beitrittsantrag gestellt. Weitere EU-Beitrittskandidaten sind die Türkei und Island.
Fortschritte attestiert
Bereits am Montag hatten die EU-Außenminister dem Balkanland Fortschritte bei der Erreichung der politischen Kriterien und wirtschaftliche Stabilität attestiert. Sie nannten allerdings auch sieben Bereiche, in denen Montenegro weitere Reformanstrengungen zu leisten habe. Als solche "Schlüsselprioritäten" werden Rechtsstaatlichkeit, Justizreform, eine Wahlrechtsreform, die Rolle des Parlaments, die Reform der öffentlichen Verwaltung, Medienfreiheit, Kooperation mit der Zivilgesellschaft, der Umgang mit Diskriminierung und vertriebenen Personen, sowie vor allem der Kampf gegen Organisierte Kriminalität und Korruption genannt.
Sobald die EU-Kommission ausreichend Fortschritte in diesen Bereichen festgestellt hat, wollen die EU-Außenminister über die Aufnahme konkreter EU-Beitrittsverhandlungen entscheiden. Der montenegrinische Vizepremier Igor Luksic bezeichnete die Zuerkennung des Kandidatenstatus als "große Ermutigung" und "Bestätigung unserer Bemühungen". "Sie ist aber auch eine Herausforderung, weil wir noch viel zu tun haben auf allen Gebieten, die von Brüssel genannt worden sind", sagte Luksic der deutschen Nachrichtenagentur dpa. Der Finanzminister soll Gerüchten zufolge bereits in der kommenden Woche dem langjährigen montenegrinischen Premier Milo Djukanovic nachfolgen, der als amtsmüde gilt und mit seinem Rücktritt auf die Entscheidung der EU-Chefs gewartet haben soll.
Korruptionsbekämpfung notwendig
Bundeskanzler Werner Faymann (V) betonte nach Abschluss des Gipfels die Notwendigkeit von Korruptionsbekämpfung und der Zusammenarbeit von Justizbehörden bei EU-Erweiterungskandidaten. "Ich erwarte mir harte Fragen und klare Antworten zum Thema Korruptionsbekämpfung", sagte Faymann. Er verwies in diesem Zusammenhang auch auf Kroatien, dessen Beitrittsgespräche in der Zielgerade sind. Österreich habe den EU-Beitritt Kroatiens immer unterstützt. Aber "auch bei Kroatien ist die Frage der Rechtsstaatlichkeit eine entscheidende Frage", sagte er in Anspielung auf die Festnahme des kroatischen Ex-Premiers Ivo Sanader in Österreich, dem in seiner Heimat Amtsmissbrauch vorgeworfen wird.
Der FPÖ-Europaabgeordnete Andreas Mölzer warnte vor einem "Beitrittsautomatismus" im Fall Montenegros und forderte, aus den Erfahrungen mit Rumänien und Bulgarien zu lernen, die im Jahr 2007 "völlig überhastet und unvorbereitet in die Europäische Union aufgenommen wurden". Wie Mölzer am Freitag in einer Aussendung mitteilte, müssten Korruption und Organisierte Kriminalität in Montenegro "energischer als bisher bekämpft werden". Grundsätzlich habe es aber als "christlich-europäisches Land" anders als die Türkei eine europäische Perspektive.
SPÖ-Europaparlamentarier Hannes Swoboda betonte, die Gipfelentscheidung bedeute "nicht, dass die Beitrittsverhandlungen schon beginnen können". Auch er forderte einen "gründlichen Kampf gegen die Korruption" in dem Land, dessen langjähriger Premier Djukanovic immer wieder in die Nähe von Zigarettenschmuggel-Banden gerückt wurde. Das Beispiel Mazedoniens zeige, dass Länder ihren Reformprozess beschleunigen müssen "und sich nicht auf dem Status ausruhen dürfen".
Kann noch dauern
Die Zuerkennung des Kandidatenstatus sagt nichts über die Geschwindigkeit des Beitrittsprozesses aus. So ist Mazedonien bereits seit Ende 2005 EU-Beitrittskandidat, muss aber wegen des Namensstreits mit Griechenland immer noch auf den Verhandlungsbeginn warten. Mit der Türkei nahm die Europäische Union im Jahr 2005 Beitrittsgespräche auf, sechs Jahre nach der Zuerkennung des Kandidatenstatus. Im Fall Islands dauerte es dagegen nur ein Jahr vom Beitrittsantrag bis zum offiziellen Beginn der Beitrittsgespräche Ende Juli diesen Jahres.