Das neue Kabinett von Mario Monti besteht ausschließlich aus Experten.
Der neue italienische Regierungschef Mario Monti will mit einem Team aus Fachleuten, Großbankern und Wirtschaftsexperten das Ruder des schwerverschuldeten Italien übernehmen. Der frühere EU-Kommissar stellte am Mittwoch ein Kabinett aus 16 Mitgliedern vor, aus dem Politiker strikt ausgeschlossen wurden. Dies werde dem Kabinett mehr Stabilität verleihen und Spannungen mit den Parteien vermeiden, die seine Regierung unterstützen, erklärte der 68-jährige Monti seinen Beschluss.
Vertrauensabstimmung noch in dieser Woche
Die neue Regierung um Mario Monti wird sich am Donnerstagabend der Vertrauensabstimmung im Senat stellen, am Freitag findet das Vertrauensvotum in der Abgeordnetenkammer statt. Monti wird von einer breiten Koalition unterstützt, der unter anderem die Mitte-Rechts-Partei "Volk der Freiheit" um seinen Vorgänger Silvio Berlusconi und die Mitte-Links-Kraft "Demokratische Partei" (PD) angehören. Einzige große Oppositionspartei zur Regierung Monti ist die rechtspopulistische Lega Nord.
Monti übernimmt Wirtschatfs- und Finanzressort selbst
Monti übernimmt persönlich das Ruder des Wirtschafts- und Finanzministeriums. Damit gibt er klar zu verstehen, dass er selbst die wirtschaftspolitische Linie bestimmen will, die Italien aus der akuten Krise führen soll. Als prominentester Name in der 61. Regierung der Nachkriegszeit gilt der Großbanker Corrado Passera, Chef der zweitgrößten italienischen Bank Intesa Sanpaolo. Als künftiger Industrieminister wird sich Passera intensiv um den Wirtschaftsaufschwung Italiens kümmern müssen.
Drei Frauen übernehmen Schlüsselpositionen im neuen Kabinett. Die Polizeichefin Anna Maria Cancellieri rückt zur Innenministerin auf, während die Juristin Paola Severino die Führung des Justizministeriums übernimmt. Die Fachfrau im Bereich Pensionen, Elsa Fornero, wird das Arbeits- und Sozialministerium leiten und auch für Frauenpolitik zuständig sein.
Mehrere Quereinsteiger aus der Wirtschaft
Mehrere Fachleute aus der Wirtschaft steigen in die neue Regierung ein. Zum Tourismus- und Sportminister wurde der Ex-Präsident des Stromkonzerns Enel, Piero Gnudi, ernannt. Zu den Schwergewichten in Montis Team zählt der Jurist Enzo Moavero Milanesi, der neuer Europaminister wird. Moavero Milanesi hat neun Jahre lang in Brüssel mit Monti zusammengearbeitet, als dieser EU-Wettbewerbskommissar war, und gilt als enger Vertrauter des neuen Regierungschefs. Moavero Milanesi war bisher Richter beim Europäischen Gerichtshof (EuGH).
Der italienische Botschafter in Washington, Giulio Terzi di Sant'Agata, wechselt an die Spitze des Außenministeriums. Da er sich noch in den USA befindet, wird er nicht an der am Mittwochnachmittag geplanten Vereidigung des neuen Kabinetts teilnehmen. Zum neuen Kulturminister avanciert Lorenzo Ornaghi, Rektor der angesehenen Mailänder Universität Cattolica. Einen weiteren katholischen Akzent setzt Monti mit Andrea Riccardi als Minister für die internationale Kooperation und Integration. Der Träger des Aachener Karlspreises Riccardi ist Gründer der katholischen Laiengemeinschaft Sant'Egidio. Der Jurist Antonio Catricalá, der seit sechs Jahren an der Spitze der italienischen Kartellbehörde steht, ist als Staatssekretär auserkoren worden.
Das neue Kabinett wird am Mittwoch um 17.00 Uhr im Quirinal, dem Sitz des Präsidenten, vereidigt. Danach wird es sich der Vertrauensabstimmung im Parlament unterziehen. Die Vertrauensabstimmung sollte spätestens bis Freitag stattfinden.
Vermögensabgabe soll Schuldenlast senken
Erwartet wird, dass Monti mit einer einmaligen Vermögensabgabe die Schuldenlast Italiens senkt und die Immobiliensteuer ICI auf Eigentumswohnungen wieder einführt. Monti will auch den Verkauf staatlicher Immobilien beschleunigen, was den Staatskassen in drei Jahren fünf Milliarden Euro bescheren sollte. In Städten und Gemeinden soll die Privatisierung kommunaler Tochterunternehmen forciert werden. Monti dürfte auch das Pensionsantrittsalter auf 67 Jahre erhöhen. Zudem plant er offenbar, mit einer Liberalisierungsoffensive, einer Lockerung der Kündigungsbestimmungen und Begünstigungen bei großen Infrastrukturprojekten das Wirtschaftswachstum anzukurbeln.
Monti dankte den politischen Kräften, die sein Kabinett unterstützen wollen, vornehmlich die Demokratische Partei (PD) links der Mitte und die Mitte-rechts-Partei PdL um den zurückgetretenen Premier Silvio Berlusconi. Dass sich keine Politiker an seiner Regierung beteiligen, werde die Arbeit des Kabinetts erleichtern, meinte Monti.
Widerstand im Parlament erwartet
Im Parlament dürften seine Pläne aber auf Widerstand stoßen. Die PD stemmt sich gegen eine Lockerung des Kündigungsschutzes. In der PdL ist eine Vermögensabgabe äußerst umstritten. Die Lega Nord, die ein föderales System einführen will, geht in die Opposition und prophezeit Monti ein kurzes Leben. "Sie wird von einer bunten Mischung von Parteien unterstützt und wird wenig zustande bringen", meinte Parteichef Umberto Bossi.
Monti, am 19. März 1943 als Sohn eines Bankiers in Varese (Lombardei) geboren, schlug nach dem Studium der Ökonomie die wissenschaftliche Laufbahn ein. Ab 1995 war der überzeugte Europäer zehn Jahre Mitglied der EU-Kommission. Zunächst war er in Brüssel für Binnenmarkt und Steuern, dann für Wettbewerb zuständig.
Die neue italienische Regierung im Überblick
- Ministerpräsident und Wirtschaftsminister: Mario Monti
- Außenminister: Giulio Terzi di Santagata
- Innenministerin: Anna Maria Cancellieri
- Justizministerin: Paola Severino
- Verteidigungsminister: Giampaolo Di Paola
- Industrieminister: Corrado Passera
- Landwirtschaftsminister: Mario Catania
- Umweltministerin: Corrado Clini
- Arbeitsministerin: Elsa Fornero
- Gesundheitsminister: Renato Balduzzi
- Bildungsminister: Francesco Profumo
- Kulturminister: Lorenzo Ornaghi
- Europaminister: Enzo Moavero Milanesi
- Tourismus- und Sportminister: Piero Gnudi
- Regionenminister: Fabrizio Barca
- Minister für die Beziehungen zum Parlament: Piero Giarda
- Minister für die internationale Kooperation und Integration: Andrea Riccardi
- Staatssekretär: Antonio Catricala'
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Trocken und rigoros - "Super Mario" Monti soll Italien retten
Trocken, rigoros und regelgetreu: Der Wirtschaftsexperte Mario Monti wirkt in seinem Äußeren und seinem Verhalten recht unitalienisch. Der Lombarde mit britischem Stil, der zehn Jahre lang das Amt eines EU-Kommissars bekleidete, hat am Mittwoch seine Übergangsregierung vorgestellt, die Italien vor der Pleite retten soll. Er könnte jetzt eine neue Seite nach der langen Ära von Silvio Berlusconi aufschlagen. Mit ihm soll in Italien eine neue Polit-Epoche beginnen.
Wie Berlusconi hat Monti lombardische Wurzeln
Obwohl sie die selben lombardischen Wurzeln haben, könnten Monti und sein Vorgänger Berlusconi nicht unterschiedlicher sein. Während der TV-Tycoon und Großunternehmer mediengewandt und protzig auftritt, scheut der 68-jährige Monti eher das Rampenlicht und arbeitet lieber hinter den Kulissen. Während Berlusconi traumhafte Villen, blutjunge Frauen und schwindelerregenden Reichtum zur Schau stellt, wirkt Monti mit seinem akkurat gezogenen Scheitel, dem feinen Stecktuch im Sakko und den guten Manieren eher wie ein distinguierter Gutsherr vergangener Zeiten. Doch sein zurückhaltendes Auftreten und die ruhige Redeart täuschen leicht über die Härte hinweg, mit welcher der Wirtschaftsexperte seine Anliegen durchsetzt, ohne Konfrontationen zu fürchten.
Strenge und Kohärenz hat Monti vor allem in seinen Jahren in Brüssel bewiesen. In seiner Funktion als EU-Wettbewerbskommissar scheute sich der Italiener nicht, gegen Kartelle und Preisabsprachen, Großfusionen und unbegründete Staatshilfen zu Felde zu ziehen. Dass er sich dabei nationale Regierungen, sowie Giganten wie Microsoft und Volkswagen zu Gegnern machte, kümmerte ihn wenig. Gute Wettbewerbspolitik tut weh, sonst ist sie nichts wert, pflegte Monti zu sagen.
1943 als Sohn eines Bankiers in Varese geboren
Monti, am 19. März 1943 als Sohn eines Bankiers in Varese geboren, schlug nach dem Studium der Ökonomie die wissenschaftliche Laufbahn ein. Er promovierte an der elitären Mailänder Wirtschaftsuniversität "Luigi Bocconi" zum Doktor der Wirtschaftswissenschaften und absolvierte ein Postgraduierten-Studium an der Yale University in den Vereinigten Staaten. Monti war Professor an den Universitäten Mailand, Trient und Turin. Von 1989 bis 1994 war er Rektor der Bocconi-Universität und dann bis 1999 deren Präsident. Dabei machte er sich als einer der profiliertesten Wirtschaftsexperten Italiens einen Namen, mehrfach war er auch für Ministerämter im Gespräch. 1995 wurde der überzeugte Europäer Mitglied der EU-Kommission und war dort zunächst für Binnenmarkt und Steuern zuständig.
Ab 1999 EU-Kommissar
Als Monti im Herbst 1999 Nachfolger des Belgiers Karel Van Miert wurde und das Wettbewerbsressort der EU-Behörde übernahm, hatte er bereits eine große Erfahrung als Kommissar für den Binnenmarkt und die Finanzdienstleistungen gesammelt. Schon damals fiel er durch Hartnäckigkeit auf. Er ließ sich nur durch der Sache und dem Wettbewerb nützliche Argumente beeindrucken; politisch-taktische Verhandlungen mit den großen Interessengruppen prallten an ihm ab.
Als EU-Kommissar scheute er sich auch nicht, die heimische Politik unter Druck zu setzen. So verlangte Monti unermüdlich von Rom Klarheit über den Europa-Kurs Italiens und Garantien für den Einstieg in die Währungsunion. Damit profilierte er sich in Europa als glaubwürdiger und zuverlässiger Italiener. Nach Ende seines Mandats in Brüssel kehrte Monti nach Mailand zurück und übernahm erneut die Präsidentschaft der Wirtschaftsuniversität Bocconi. Zwischen 2004 und 2008 war er Aufsichtsratsmitglied des Brüsseler Think Tanks Bruegel. 2010 war er an der Gründung der Spinelli-Gruppe beteiligt, die sich für den europäischen Föderalismus einsetzt.
Senator auf Lebenszeit
Der parteilose Monti, der vor einer Woche von Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano für seine Verdienste für die Wirtschaft zum Senator auf Lebenszeit ernannt worden ist, übernimmt jetzt das Ruder einer Übergangsregierung, die Italien bis zum Ende der Legislaturperiode 2013 führen soll. Die Nachfolge des skandalumwitterten Berlusconi in dieser entscheidenden Phase der Schuldenkrise anzutreten, ist eine Aufgabe, vor der jeder erschauern würde, doch "Super-Mario" hat eine klare Strategie, um Italien vor der Pleite zu retten. Mit dem Kampf gegen die Privilegien der Politik, Sparmaßnahmen und wirtschaftsfördernden Maßnahmen will Monti die von Berlusconi zerstörte Glaubwürdigkeit Italiens auf den Finanzmärkten wiederherstellen. Dabei muss er das Vertrauen aller Teile der italienischen Politik gewinnen.
"Der Steuerdruck auf Arbeitnehmer und Unternehmen ist enorm, während er die Finanzrendite zu wenig belastet", betont Monti. In die Zukunft seines Landes hat der Vater zweier erwachsener Kinder großes Vertrauen: "Die Attacken gegen Italien sind eigentlich Angriffe auf den Euro. Italien war für die Zukunft Europas noch nie so entscheidend." Mit seiner Anti-Krisen-Strategie droht sich Monti in seiner Heimat unpopulär zu machen, doch das belastet ihn nicht. Das Wichtigste ist ihm, Italien vor dem Abgrund zu retten.