Erstmals seit seinem Amtsantritt 1981 ernannte er einen Stellvertreter.
Angesichts der anhaltenden Massenproteste gegen seine Regierung hat der ägyptische Präsident Husni Mubarak am Samstag überraschend seine mögliche Nachfolge geregelt: Erstmals seit seinem Amtsantritt im Oktober 1981 ernannte er einen Stellvertreter. Vizepräsident soll der bisherige Geheimdienstchef Omar Suleiman, ein enger Vertrauter, werden. Die Personalentscheidung wurde als scharfe Kehrtwende von seinem bisherigen dynastischen Kurs gesehen, bei dem sein Sohn Gamal als favorisierter Nachfolger des 82-Jährigen galt.
Ladenbesitzer und Bewohner wohlhabender Viertel in der Hauptstadt schützten ihre Häuser unterdessen vor Plünderern, die mit Messern und Stöcken bewaffnet durch die Straßen zogen, mitnahmen, was sie tragen konnten, und Autos und Fenster demolierten. In einigen Vierteln waren Gewehrschüsse zu hören. Die Zahl der Toten bei fünf Tagen Unruhen stieg nach Angaben aus Sicherheitskreisen auf 74. Etwa 2.000 weitere wurden verletzt.
Militär mit Panzern in der Stadt
Mit Panzern und Schützenpanzern versuchten die Streitkräfte, wichtige Einrichtungen in der 18-Millionen-Metropole zu schützen - Behördengebäude, Touristenattraktionen wie das Ägyptische Museum und archäologische Stätten. Soldaten gingen nicht gegen Demonstranten vor, auch nicht gegen jene, die am Nachmittag das um eine Stunde von 16.00 bis 08.00 Uhr verlängerte Ausgehverbot ignorierten. "Das ist die Revolution des Volkes aus allen Schichten", stand auf einem an einem Panzer befestigten Spruchband. "Mubarak, nimm deinen Sohn und verschwinde."
Auf dem Tahrir-Platz im Zentrum Kairos versammelten sich am Samstagabend mehrere tausend Menschen. "Wir wollen, dass Mubarak geht, nicht nur seine Regierung", erklärte einer von ihnen, Mohammed Mahmud. Am Nachmittag hatte die Polizei das Feuer eröffnet, als eine Menschenmenge das Innenministerium zu stürmen versuchte. Dabei wurden mindestens drei Menschen getötet. In der Innenstadt von Kairo kletterten Demonstranten auf gepanzerte Fahrzeuge der Sicherheitskräfte.
Schon am Samstagvormittag kam es rund um den Tahrir-Platz zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei. Die Protestierenden griffen die Sicherheitskräfte mit Steinen an, diese reagierten mit Tränengas, Schlagstöcken und Gummigeschossen. Etliche Regierungsgebäude wurden von den Streitkräften abgeriegelt. Auch vor dem Ägyptischen Museum und den Pyramiden bezogen Militärfahrzeuge Stellung.
Keine Beruhigung der Lage
Der von Mubarak verordnete Rücktritt der Regierung trug offenbar wenig zur Beruhigung der Lage bei. Als Nachfolger von Ministerpräsident Ahmed Nasif benannte Mubarak am Samstag den bisherigen Luftfahrtminister Ahmed Shafik. Der 82-Jährige versprach außerdem demokratische und wirtschaftliche Reformen, verteidigte aber zugleich das Vorgehen der Sicherheitskräfte. Er werde "nicht davor zurückscheuen, jede Maßnahme zu ergreifen, die die Sicherheit eines jeden Ägypters gewährleistet".
Der Friedensnobelpreisträger Mohammed ElBaradei hatte sich am Freitag den Demonstranten in Kairo angeschlossen; später stellten ihn die ägyptischen Behörden unter Hausarrest. Zuvor hatte sich der frühere Direktor der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA als Führer einer Übergangsregierung angeboten. "Es gibt nichts unterhalb eines Rücktritts von Mubarak, was das Volk zufrieden stellen wird", sagte ElBaradei am Samstag der Nachrichtenagentur AP. "Ich denke, was Mubarak gestern (Freitag) sagte, war eine Beleidigung der Intelligenz des ägyptischen Volkes."
Obama fordert Reformen
US-Präsident Barack Obama forderte in einem Telefonat mit Mubarak, Ägypten müsse konkrete Schritte zu Reformen unternehmen. Obama habe die ägyptischen Behörden aufgerufen, keine Gewalt gegen friedliche Demonstranten anzuwenden, teilte das Weiße Haus mit. Pressesprecher Robert Gibbs erklärte, die US-Regierung erwäge eine Kürzung der Auslandshilfe in der Höhe von jährlich 1,5 Milliarden Dollar (1,1 Milliarden Euro), sollte Mubarak keine entsprechenden Maßnahmen einleiten.
Die Demonstranten machen die Regierung für Armut, Arbeitslosigkeit und Korruption in Ägypten verantwortlich. Die seit fünf Tagen anhaltenden Proteste sind die umfangreichsten seit mindestens einem Jahrzehnt.