Juncker mahnt Erdogan, den Flüchtlingspakt nicht platzen zu lassen.
Nach den Drohungen aus Ankara an die Adresse der EU hat Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die Türkei zur Einhaltung des Flüchtlingsabkommens gedrängt. "Wir haben ein Abkommen geschlossen, das muss respektiert werden und das wird es auch", sagte Juncker der Zeitung "La Libre Belgique" vom Samstag.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte nach einem Votum des EU-Parlaments für ein Einfrieren der Beitrittsgespräche mit der Grenzöffnung für Flüchtlinge gedroht. Juncker lobte in dem Interview die Zeit Erdogans als Regierungschef zwischen 2003 und 2014, in der die Türkei "viele Fortschritte" bei der Demokratie gemacht habe. In den vergangenen zwei Jahren aber habe das Land zunehmend "Abstand von den europäischen Werten und Prinzipien" genommen. Juncker warf Erdogan vor, Europa schon im Vorfeld die Schuld für ein "Scheitern der Beitrittsverhandlungen" zu geben.
Das EU-Parlament hatte am Donnerstag ein "vorläufiges Einfrieren" der Beitrittsgespräche mit Ankara gefordert. Erdogan sagte daraufhin, wenn Europa noch weiter gehe, würden die Grenzen geöffnet. Brüssel und Ankara hatten im März ein Abkommen geschlossen, um die Flüchtlingsbewegung Richtung Europa einzudämmen. Danach machten sich deutlich weniger Menschen auf den gefährlichen Weg aus der Türkei über die Ägäis, um auf diese Weise die griechischen Inseln zu erreichen.
Die EU hatte Ankara in dem Flüchtlingsdeal eine beschleunigte Aufhebung des Visa-Zwangs für türkische Bürger in Aussicht gestellt - eigentlich bis spätestens Oktober. Die Türkei weigert sich aber, als Voraussetzung dafür ihre weit gefassten Anti-Terror-Gesetze zu ändern. Anstatt der EU die Schuld zu geben, sollte sich Erdogan fragen, "ob er nicht selbst dafür verantwortlich ist", dass es noch immer keine Visa-Freiheit gebe, sagte Juncker.
Der Kommissionspräsident gestand im Gespräch mit "La Libre Belgique" zwar ein, dass das EU-Parlament letztlich nicht über die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei entscheide. Das Votum sei aber ein "Alarmsignal", dessen Tragweite die Türkei nicht unterschätzen sollte.