Die Zahl der Toten nach den verheerenden Unwettern in großen Teilen Spaniens ist auf mindestens 158 gestiegen.
Allein in der am schwersten betroffenen Region Valencia im Osten des Landes wurden 155 Leichen geborgen, wie die Regionalregierung am Donnerstag mitteilte. Weitere drei Opfer gab es in den Regionen Andalusien und Kastilien-La Mancha. Dutzende Menschen gelten nach wie vor als vermisst.
Verteidigungsministerin Margarita Robles erklärte die Suche nach ihnen zur Priorität des Tages, wie sie dem TV-Sender Telecinco sagte. Die Ministerin nannte keine Zahl, aber laut Medien gelten Dutzende Menschen als vermisst. In den Fokus rückt nun die Frage, ob die Behörden nicht früh genug vor der Gefahr gewarnt haben.
Der Wetterdienst Aemet gab am Donnerstag eine Hochwasserwarnung für die gesamte Provinz Castellón aus, die sich ebenfalls in der von heftigen Regenfällen am Dienstag stark getroffenen Mittelmeerregion Valencia befindet. Sie war bisher von dem Wetterphänomen verschont geblieben, das jetzt gen Nordosten weiterzieht.
Ganzes Ausmaß der Schäden noch unklar
Das ganze Ausmaß der Schäden war auch am Donnerstagmittag noch unklar. Von "vielen" Menschen wisse man gar nichts über deren Schicksal, sagte die Ministerin. In der besonders stark betroffenen Mittelmeerregion Valencia soll nun das Militär gezielt in den Ortschaften Paiporta und Masanasa nach Menschen in Not suchen.
Zugleich lehnte Robles es ab, sich an der in Spanien entbrannten Diskussion über Versäumnisse bei der Warnung vor diesen verheerenden Unwettern zu beteiligen. "Jeder weiß, was er gut und schlecht gemacht hat", sagte sie mit Blick auch auf einen Streit zwischen Innenminister Fernando Grande-Marlaska und dem Regierungschef der Region Valencia, Carlos Mazón. Beide werfen sich gegenseitig vor, für das Warnsystem zuständig gewesen zu sein.
Warnungen des Zivilschutzes
Tatsächlich gingen Warnungen des Zivilschutzes am Dienstag gegen 20.10 Uhr an die Handys aller Menschen in der Region Valencia, wie der staatliche Rundfunksender RTVE rekonstruiert. Dabei habe es aber schon Stunden vorher zu regnen begonnen, merkte die Zeitung "El País" an. Und schrieb weiter: Der Wetterdienst Aemet habe bereits am Dienstagmorgen gegen 7.30 Uhr die höchste Warnstufe ausgerufen, was sehr hohe Gefahr bedeutet.
Doch die Warnungen des Zivilschutzes seien dann erst am Abend erfolgt, als erste Flüsse bereits über die Ufer getreten waren. Viele Menschen waren trotz der Unwetter in ihren Autos unterwegs und liefen damit Risiko, liegen zu bleiben oder von der Strömung weggerissen zu werden. Die große Ford-Fabrik in Almussafes und die Universität València hatten ihre Leute zuvor bereits nach Hause geschickt, wie die Zeitung schrieb.
Regionen am Mittelmeer betroffen
Schwer getroffen von den heftigen Regenfällen vom Dienstag sind auch andere bei Touristen beliebte Regionen am Mittelmeer wie Andalusien und Murcia sowie Kastilien-La Mancha im Landesinnern. Die extremen Niederschläge hatten binnen weniger Stunden zahlreiche Flüsse in reißende Ströme und Straßen in Flüsse verwandelt, die Häuser zerstörten und Bäume, Menschen sowie Fahrzeuge mit sich rissen. Der Wetterdienst Aemet sprach von einem "historischen Unwetter", dem schlimmsten solcher Art in der Region Valencia, wo die meisten Toten verzeichnet wurden.
Mancherorts fiel innerhalb eines Tages so viel Regen wie sonst in einem Jahr - in einigen Orten der Region Valencia Aemet zufolge bis zu 400 Liter pro Quadratmeter. Menschen, Autos und Bäume, aber auch Infrastruktur wurden in den Fluten mitgerissen. Vielerorts gab es große Verwüstung. In acht Stunden fiel mehr Niederschlag als beim jüngsten Hochwasser in Österreich innerhalb von fünf Tagen.
"Situation vor Ort ist dramatisch"
"Die Situation vor Ort ist dramatisch", sagte Gerald Schöpfer, Präsident des Österreichischen Roten Kreuzes. "Hunderte Kolleginnen und Kollegen vom Spanischen Roten Kreuz sind rund um die Uhr im Einsatz, um die Folgen der Katastrophe für die betroffenen Menschen zu lindern. Sie helfen bei Evakuierungen und Bergungsarbeiten, betreuen Betroffene in Notunterkünften und versorgen sie mit Hilfsgütern wie Essen, Decken, Hygieneartikel sowie psychosozialer Unterstützung. Die Rettungskräfte sind für Verletzte im Dauereinsatz. Jetzt ist es wichtig, Solidarität zu zeigen und das Rote Kreuz in seiner wichtigen Arbeit zu unterstützen."
Das österreichische Außenministerium hatte keinen Hinweis darauf, dass Österreicherinnen bzw. Österreicher von der Katastrophe betroffen sind. "Es liegen uns aktuell keine Informationen" darüber vor, sagte eine Sprecherin gegenüber der APA. "Die österreichische Botschaft in Madrid steht mit einer Handvoll österreichischer Reisenden in Kontakt, die sich aktuell in den von den Unwettern betroffenen Regionen in Spanien aufhalten. Sie sind alle wohlauf." Betroffene können sich jederzeit an die Notfallnummer des Außenministeriums (+43 501150-4411) wenden.
Wetterphänomen "Kalter Tropfen"
Auslöser für die Unwetter in Spanien war das Wetterphänomen "Kalter Tropfen" (gota fría). Es tritt in der spanischen Mittelmeerregion in den Monaten September und Oktober häufig auf und basiert auf stark schwankenden Temperaturen von Meer und Luft. Das Phänomen entsteht, wenn sich die ersten atlantischen Tiefausläufer mit feuchtkalter Luft über das warme Mittelmeer schieben. Die Zentralregierung in Madrid rief eine dreitägige Staatstrauer ab Donnerstag aus. Sie sicherte den Betroffenen auch schnelle Hilfe beim Wiederaufbau zu.
(S E R V I C E - Spendenaufruf Österreichisches Rotes Kreuz, IBAN: AT57 2011 1400 1440 0144, BIC: GIBAATWWXXX, Erste Bank: BLZ 20.111, Kennwort: Katastrophenhilfe oder unter spende.roteskreuz.at)