Analyse am Weekend

Nach Tod des Massenmörders: Wie es jetzt im Iran weitergeht

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Kampf um Macht: Präsident Raisi galt als Nachfolgekandidat des gesundheitlich schwer angeschlagenen religiösen Führers Ajatollah Chamenei, 85.

Begräbnis. Irans Präsident Ebrahim Raisi, 63, und Außenminister Hossein Amir-Abdollahian, 57, sind bei einem Hubschrauberabsturz im Iran ums Leben gekommen, es war wohl ein ­Pilotenfehler, ein Crash im dichten Nebel, keine Sabotage.

Mittwoch wurden sie beigesetzt: Der Außenminister in Teheran, Raisi in der ostiranischen Stadt Maschhad, aus der auch Ajatollah Ali Chamenei stammt, das religiöse Oberhaupt des Iran.

Putin kondolierte. Zehntausende haben sich rund um die Universität von Teheran versammelt, Ayatollah Ali Chamenei leitete die Gebete an den Särgen. Der politische Chef der radikal­islamischen Palästinenserorganisation Hamas, Ismail Hanija, saß in der ersten Reihe, ebenso die Nummer zwei der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah, Naim Kassem. Putin kondolierte, schickte hochrangige Vertreter, ebenso Türkeis Erdogan und Chinas Xi Jinping,

Skrupellos. Innerhalb von 50 Tagen muss jetzt ein Nachfolger für Raisi gewählt werden. Die Her­ausforderungen an den neuen Mann sind klar: erzkonservativ, streng islamistisch, hart und skrupellos. So, wie es Raisi gewesen ist.

Raisi war Generalstaatsanwalt in Teheran, später Vize-Justizchef und schließlich Generalstaatsanwalt des Iran, ein Blutrichter. Er schickte zwischen 3.000 und 5.000 Regimegegner in den Tod, ließ Frauen und Männer henken. An seinen Händen klebte viel Blut.

Der Großteil der ira­nischen Bevölkerung weint dem Präsidenten keine Träne nach, das Land ist gespalten.

Massenproteste. Während seiner Amtszeit erlebte das Land Massenproteste, die durch den Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini im September 2022 ausgelöst wurden, eine durch US-Sanktionen verschärfte Wirtschaftskrise und eine gefährliche Konfrontation mit dem erklärten Erzfeind Israel, bei der Teheran im April erstmals hunderte Drohnen und Raketen von seinem Staatsgebiet aus auf Israel abschoss.

Ebrahim Raisi verkörperte wie kaum ein anderer Politiker den Horror-Charakter der Islamischen Republik, er war der Chef der Todeskomitees.

Und – er galt als Nachfolger des geistlichen Führers Ajatollah Chamenei, des wahren Machthabers im Iran. Chamenei ist jedoch gesundheitlich schwer angeschlagen.

Neuwahl. Den Job des Präsidenten hat nun ­Mohammed Mochber übernommen, er ist ­Raisis interimistischer Nachfolger. Der 68-Jäh­rige war bisher Vize-Präsident, ist ein enger Vertrauter des geistlichen und politischen Oberhaupts Chamenei, der in allen Staatsangelegenheiten das letzte Sagen hat.

Er soll nun einen Rat bilden, um binnen 50 Tagen eine neue Präsidentenwahl abzuhalten. Diese soll am 28. Juni stattfinden.

Russland-Fan. Mochber gilt als Putin-Fan, ist für die Lieferung von Drohnen und Boden-Boden-Raketen an Russland zuständig. 2010 setzte die EU Mochber auf die Sanktionsliste, zwei Jahre später strich sie ihn wieder von der Liste.

Momentan ist nicht zu erwarten, dass der Tod des iranischen Präsi­denten das Land in eine neue Krise stürzen wird. Dafür, dass die Nach­folge von Raisi als Präsident reibungslos ablaufen wird, dürfte sich wahrscheinlich Ajatollah Chamenei persönlich sorgen. Trotz seiner angeschlagenen Gesundheit weiß der geistliche Führer nur zu gut, dass die Mehrheit der iranischen Bevölkerung – wenn sie es denn könnte – die Islamische Republik abschaffen würde.

Doch dafür bräuchte es eine neue Revolution.

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