Naher Osten

Nach Tötung von Hisbollah-Chef: Israel droht dem Iran

29.09.2024

Die Situation im Nahen Osten ist nach der Tötung von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah durch Israels Armee hochexplosiv 

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Der Iran forderte den UN-Sicherheitsrat zu einer Dringlichkeitssitzung auf. Wann es zu so einem Treffen kommen könnte, ist ungewiss. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu warnte den Iran vor einem Angriff auf sein Land. "Und an das Regime der Ayatollahs sage ich: Wer uns angreift, den greifen wir an", sagte Netanyahu in Tel Aviv.

"Es gibt keinen Ort im Iran oder im Nahen Osten, den Israels langer Arm nicht erreichen kann", drohte Netanyahu. "Dies sind bedeutsame Tage. Wir stehen an einem historischen Wendepunkt", sagte Israels Regierungschef weiters. Die US-Regierung ordnete die Ausreise von Angehörigen ihrer Diplomaten im Libanon an. Grund sei die unsichere und unvorhersehbare Lage in Beirut, hieß es. Israel habe einen "eklatanten Akt terroristischer Aggression gegen Wohngebiete in Beirut verübt, indem es von den USA gelieferte tausend Pfund schwere Bunkerbrecher einsetzte", heißt es in dem Brief von Irans UN-Botschafter Amir Saeid Iravani an das mächtigste UN-Gremium.

Abrechnung mit einem Massenmörder 

Netanyahu bezeichnete die gezielte Tötung von Nasrallah bei einem israelischen Luftangriff auf einen Vorort der libanesischen Hauptstadt als die "Abrechnung mit einem Massenmörder". Nasrallah sei eine Art Turbo der vom Iran geschaffenen "Achse des Bösen" gewesen. "Er war nicht nur irgendein Terrorist, sondern der Terrorist schlechthin", sagte Netanyahu. Der Hisbollah-Chef habe sich der Ermordung zahlloser Israelis, Hunderter Amerikaner und Dutzender Franzosen schuldig gemacht, sagte Israels Ministerpräsident.

 

US-Präsident Joe Biden bezeichnete Israels Tötung von Nasrallah als "Maßnahme der Gerechtigkeit" für die Opfer seiner vier Jahrzehnte währenden Terrorherrschaft. Die USA unterstützten weiterhin Israels Recht auf Selbstverteidigung gegen die Hisbollah und andere vom Iran unterstützte Terrorgruppen, sagte Biden in einer Stellungnahme. Ziel der USA bleibe die Deeskalation der Konflikte im Gazastreifen und im Libanon auf diplomatischem Wege.

Terror-Gefahr

"Solange Nasrallah am Leben gewesen wäre, hätte er die (militärischen) Fähigkeiten, die wir der Hisbollah genommen haben, schnell wiederhergestellt", fuhr Netanyahu fort. "Seine Beseitigung beschleunigt die Rückkehr unserer Bewohner in ihre Häuser im Norden." Seit Beginn des Gaza-Kriegs vor fast einem Jahr beschießt die Hisbollah fast täglich den Norden Israels. Deswegen mussten rund 60.000 Bewohner grenznaher Orte in andere Teilen Israels fliehen. Die Hisbollah handelt aus Solidarität mit der islamistischen Hamas in Gaza und hatte vor Nasrallahs Tod erklärt, die Angriffe erst bei einer dortigen Waffenruhe einzustellen.

 

Netanyahu argumentierte nun, dass die Hamas nach der Tötung des Hisbollah-Generalsekretärs eher bereit wäre, die beim Terrorüberfall der Hamas und anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober 2023 aus Israel entführten Geiseln freizulassen. "Je mehr (Hamas-Anführer Yahya al-) Sinwar sieht, dass Nasrallah ihm nicht zu Hilfe kommen wird, desto größer sind die Chancen für eine Rückgabe unserer Geiseln", meinte Netanyahu.

Libanons Regierung ordnete nach Nasrallahs Tod Staatstrauer von Montag bis Mittwoch an. Ohne Chef und nach Tötung fast der gesamten oberen Führungsebene ist unklar, wer in der Hisbollah nun die Kommandos geben könnte, auch bei weiteren Angriffen auf Israel. Vermutlich wird die Hisbollah Anweisungen des Irans abwarten. Der ist unter Religionsführer Ayatollah Ali Khamenei die eigentliche Schutzmacht und wichtigster Unterstützer der Miliz.

Staatstrauer im Iran

Khamenei ordnete nach Nasrallahs Tod Staatstrauer an. Unter den Opfern des Luftschlags vom Freitag war auch der iranische Brigadegeneral Abbas Nilforushan, der stellvertretende Kommandeur für Operationen der Revolutionsgarde. Es ist unklar, ob der Iran der Hisbollah jetzt zu Hilfe eilen wird. Die neue iranische Regierung unter Präsident Massud Pezeshkian kämpft mit einer schweren Wirtschaftskrise und strebt eine Wiederannäherung an den Westen an. Obwohl Irans militärische Führung nach der Tötung des Hamas-Auslandschefs Ismail Haniyeh in Teheran Ende Juli Vergeltung angekündigt hatte, blieb diese bis heute aus.

Im Irak forderten Hunderte Anhänger schiitischer Parteien Vergeltung gegen Israel für die Tötung Nasrallahs. Sie versammelten sich in Bagdad am Eingangsbereich zur sogenannten Grünen Zone, in der die US-Botschaft und Regierungsgebäude liegen, wie Augenzeugen berichteten. Sicherheitskräfte riegelten die Gegend ab, um eine Erstürmung der Grünen Zone zu verhindern. Vom Iran unterstützte schiitische Parteien und Milizen haben im Irak großen Einfluss. Die Hisbollah half ihnen ab den 2000er Jahren mit Ausbildung von Kämpfern, um deren Angriffe auf US-Ziele zu verstärken und den Einfluss des Irans im Land auszubauen.

Seit Ausbruch der Kämpfe zwischen der Hisbollah und dem israelischen Militär vor fast einem Jahr wurden den Behörden zufolge mehr als 1.600 Menschen im Libanon getötet, darunter rund 300 Frauen und Kinder. Ein Großteil starb bei israelischen Angriffen in den vergangenen zehn Tagen. Nach UN-Angaben flohen bisher mehr als 50.000 Menschen ins Bürgerkriegsland Syrien. In Abstimmung mit beiden Regierungen seien Hilfsaktionen im Gange, um allen Bedürftigen zu helfen, teilte der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi, auf X mit. Zudem seien mehr als 200.000 Menschen im Libanon Binnenflüchtlinge.

Das israelische Militär hat die Menschen in Teilen des Libanons aufgefordert, sich von Hisbollah-Einrichtungen fernzuhalten und sich in Sicherheit zu bringen. Die Warnung gilt für die Bewohner der Bekaa-Ebene im Osten des Landes, für die südlichen Vororte Beiruts und für den Südlibanon. Viele Menschen in den von der Hisbollah kontrollierten Gebieten wissen aber oft nicht, welche Gebäude von der Miliz genutzt werden.

In der Nacht heulten im Norden Israels unterdessen wieder die Warnsirenen. Auch im Zentrum des Landes war zuvor erneut Raketenalarm ausgelöst worden. In Tel Aviv ertönten die Warnsirenen als Reaktion auf ein Geschoss aus dem Jemen, wie die Armee mitteilte. Es wurde demnach noch vor dem Erreichen des israelischen Hoheitsgebiets abgefangen.

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