Kreml-Kritiker tritt nach Freilassung bei Bürgermeisterwahl an.
Der unter Auflagen freigelassene russische Oppositionelle Alexej Nawalny ist nach Moskau zurückgekehrt und dort wie ein Held empfangen worden. Hunderte Unterstützer begrüßten den populären Kreml-Kritiker am Samstagvormittag am Bahnhof Jaroslawski. Der 37-Jährige bekräftigte, er werde an seiner Kandidatur für die Bürgermeisterwahlen in Moskau festhalten und schwor seine Anhänger auf "sieben Wochen harte Wahlkampfarbeit" ein.
"Wir werden antreten und wir werden gewinnen", rief Nawalny über einen Lautsprecher an der Seite seiner Frau Julia. Die beiden waren mit dem Nachtzug aus Kirow nach Moskau gefahren, nachdem Nawalny am Freitag nur 23 Stunden nach seiner Verurteilung zu jahrelanger Lagerhaft vorläufig auf freien Fuß gesetzt wurde. "Vor uns liegt ein großer und schwieriger Wahlkampf", sagte Nawalny. Viele seiner Anhänger trugen T-Shirts mit "Nawalny" oder "Nawalnys Bruder" als Aufdruck, überreichten dem Paar Blumen und trugen Nawalny schließlich auf ihren Schultern.
Der prominente Kritiker von Russlands Präsident Wladimir Putin will bei den Bürgermeisterwahlen am 8. September gegen den kremltreuen Amtsinhaber Sergej Sobjanin antreten. "Zusammen sind wir eine enorme Kraft und ich bin glücklich, dass uns das bewusst geworden ist", sagte Nawalny. "Lasst uns für die politische Macht im Land kämpfen." Umfragen zufolge hat Nawalny nur verschwindend geringe Chancen gegen Sobjanin, die Teilnahme an der Wahl dürfte sein Ansehen im Land aber deutlich stärken.
An den Bahnstationen versuchten dutzende Polizisten, der Lage Herr zu werden und die Menge davon abzuhalten, auf Nawalny zuzuströmen. Eine Durchsage am Bahnhof lautete immer wieder "Lassen Sie die Passagiere durch".
Nawalny war am Donnerstag von einem Gericht in Kirow wegen Veruntreuung zu fünf Jahren Lagerhaft verurteilt und umgehend festgenommen worden. Ihm wurde vorgeworfen, als Berater des Gouverneurs von Kirow im Jahr 2009 umgerechnet 376.000 Euro unterschlagen zu haben. Nawalny bestritt die Vorwürfe und sprach von einem "politischen" Prozess. Auch der Westen sowie russische Oppositionelle übten scharfe Kritik.
Nach internationalen Protesten und Demonstrationen in Russland reichte die Staatsanwaltschaft überraschend Beschwerde gegen Nawalnys sofortige Inhaftierung ein und argumentierte, dass er in Freiheit bleiben muss, solange das Urteil nicht rechtskräftig ist. Ein russisches Gericht setzte Nawalny daraufhin am Freitag bis zum Ende seines Berufungsverfahrens auf freien Fuß. Zur Erklärung hieß es, dass ihm durch die Haft das Recht genommen würde, bei der Bürgermeisterwahl anzutreten. Der Schuldspruch verbietet ihm das zwar, allerdings ebenfalls erst, wenn das Urteil rechtskräftig ist.
Von den Protesten am Donnerstagabend nach dem Urteil gegen ihn bekam Nawalny nach eigenen Angaben nichts mit, da er in Kirow in Isolationshaft saß. Tausende Menschen waren allein in Moskau auf die Straße gegangen. An das Gebäude der Staatsduma sprühten einige Demonstranten Slogans wie "Putin ist ein Dieb" und klebten rote Sticker mit der Aufschrift "Nawalny" an die Wände. Die Moskauer Polizei leitete nach eigenen Angaben Ermittlungen gegen unbekannt wegen Vandalismus ein.