In Haft gestorben

Sprecherin bestätigt Tod von Nawalny

17.02.2024

Die Mutter des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny hat nach Angaben von dessen Sprecherin eine amtliche Bestätigung von seinem Tod erhalten.

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Der Leichnam müsse den Angehörigen unverzüglich übergeben werden, forderte Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch am Samstag auf der Kurznachrichtenplattform X. Die russische Zeitung "Nowaja Gaseta" berichtete, Nawalnys Mutter Ljudmila Nawalnaja sei gemeinsam mit einem Rechtsanwalt ihres Sohnes auf dem Weg in das Straflager.

Nawalny war zu mehr als 30 Jahren Haft verurteilt worden. Zuletzt war er im Straflager "Polarwolf" nahe der Ortschaft Charp im Autonomen Kreis der Jamal-Nenzen in Nordrussland inhaftiert. Jarmysch erklärte, Behördenangaben zufolge werde der Leichnam in die Kreishauptstadt Salechard überführt, um dort untersucht zu werden. Nawalny sei den Angaben zufolge um 14.17 Uhr Ortszeit gestorben.

Schallenberg verbat sich Kritik Moskaus

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) verbat sich indes Kritik Moskaus an Reaktionen auf den Tod Nawalnys. Jene, die sich gestern am meisten aufgeregt hätten, sollten sich am ruhigsten verhalten, sagte Schallenberg am Samstag am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz. "Die russische Wehleidigkeit ist hier fehl am Platz", sagte er zum Protest der russischen Botschaft gegen einen Kommentar von Bundespräsident Alexander Van der Bellen.

Van der Bellen hatte in seiner unmittelbaren Reaktion auf X von "Wladimir Putin und seinem mörderischen Regime" gesprochen. Die russische Botschaft in Wien konterte mit einer Protestnote ans Außenamt. Schallenberg sagte dazu, dass er sich nicht an Verschwörungstheorien beteilige. Zugleich stellte er klar: "Wir wissen, dass es einen Giftanschlag auf ihn (Nawalny, Anm.) gab, dass er in den GULAG gesteckt wurde (...), wir wissen welches Regime versucht hat, seine Gesundheit zu zerstören." Anders als zahlreiche internationale Politiker hatte Schallenberg eine direkte Schuldzuweisung an Moskau nach dem Tod Nawalnys vermieden, aber eine vollständige Untersuchung der Todesumstände gefordert.

Russische Diplomaten ins Londoner Außenamt zitiert

Die britische Regierung zitierte indes diplomatisches Personal der russischen Botschaft ins Außenministerium. Damit wolle London deutlich machen, dass es "die russischen Behörden uneingeschränkt verantwortlich" für Nawalnys Tod mache, erklärte das britische Außenministerium am Freitag. Nawalnys Tod in einer Strafkolonie in der russischen Polarregion müsse "vollständig und transparent untersucht" werden.

Aus dem Außenministerium hieß es weiter, in den vergangenen Jahren hätten die russischen Behörden Nawalny "aufgrund falscher Anschuldigungen inhaftiert, ihn mit einem verbotenen Nervenkampfstoff vergiftet und in eine arktische Strafkolonie geschickt". Niemand solle "an der Brutalität des russischen Systems zweifeln". Bereits zuvor hatte der britische Außenminister David Cameron gesagt, der russische Präsident Wladimir Putin solle "zur Rechenschaft gezogen werden für das, was geschehen ist".

Menschen demonstrierten vor jeweiligen russischen Botschaften

In zahlreichen europäischen Städten, darunter Wien, demonstrierten Menschen vor den jeweiligen russischen Botschaften und nannten Kreml-Chef Wladimir Putin einen Mörder. Trotz Festnahmen und Drucks der Behörden hielten auch in Russland die öffentlichen Beileidsbekundungen für Nawalny an. In Moskau und anderen Städten räumten Männer in Zivil oder Mitarbeiter der Stadtreinigung spontan errichtete Erinnerungsstätten für den 47-Jährigen, der in Haft in der Polarregion unter ungeklärten Umständen starb. Sie packten Blumen in Müllsäcke, sammelten Kerzen und Bilder ein. Medien in vielen Teilen Russlands berichteten am Samstag, dass trotzdem weiter frische Blumen niedergelegt, Kerzen angezündet und Bilder zur Erinnerung an Nawalny aufgestellt wurden.

Nach Informationen von Menschenrechtlern gab es landesweit mehr als 110 Festnahmen. Das Internetportal ovd.info berichtete am Samstagvormittag, dass allein in St. Petersburg 69 Menschen festgenommen worden seien. Festnahmen gab es demnach in 13 Städten, darunter auch in Moskau, Brjansk und Krasnodar. Die Bürgerrechtler gaben auch juristische Hinweise für das Niederlegen von Blumen und veröffentlichten die Nummer einer Telefon-Hotline für anwaltliche Hilfe. Viele Russen hatten nach dem Tod Nawalnys öffentlich ihre Wut geäußert.

"Wie groß doch selbst die Angst des Machtapparates vor einem Toten ist, wenn sogar das Ablegen von Blumen zu seinem Andenken als Verbrechen angesehen wird", schrieb der russische Friedensnobelpreisträger und Gründer der kremlkritischen Zeitung "Nowaja Gaseta", Dmitri Muratow, am Samstag im Nachrichtenkanal Telegram.

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