Polizei warnt vor Mafia
Neapel zittert vor "Baby-Killern"
07.02.2016
Jugendbanden verüben immer mehr Morde im Namen der Mafia.
Die italienische Regierung hat eine Offensive gegen "Baby-Killer" in Neapel eingeleitet, nachdem diese Woche drei Morde verübt wurden, die auf Jugendbanden zurückzuführen sind. Innenminister Angelino Alfano verlangt, dass Jugendliche schon ab 16 Jahren wie Erwachsene bestraft werden. Immer häufiger terrorisieren bewaffnete Jugendbanden die Stadt.
Bereits sieben "Baby-Killer"-Opfer
Nachdem in den vergangenen Monaten mehrere prominente Bosse der Camorra, der Mafia in Neapel, festgenommen wurden, hat eine junge Generation die Führung der kriminellen Geschäfte im Schatten des Vesuvs übernommen, analysieren Experten. Junge, skrupellose Kriminelle im Alter von knapp 20 Jahren oder sogar noch minderjährig würden über ein riesiges Waffenarsenal verfügen. Ein beispielloser Krieg zur Kontrolle des Territoriums und der illegalen Aktivitäten wie Drogen- und Waffenhandel, sowie Prostitution und Wucher tobe im Großraum von Neapel, der fast vier Millionen Einwohner zähle. Allein seit Jahresbeginn seien sieben Menschen in Zusammenhang mit diesem Kampf um die Kontrolle krimineller Aktivitäten in Süditaliens größter Metropole ums Leben gekommen.
Teenager werden zu Mafia-Bossen
"Neapel erlebt eine Notstandslage ohne gleichen in Europa, die wesentlich schlimmer als jene in den Pariser Banlieus ist", klagte Italiens Anti-Mafia-Staatsanwalt Franco Roberti im Interview mit der römischen Tageszeitung "La Repubblica" am Sonntag. Nachdem die Köpfe der größten Camorra-Clans zuletzt festgenommen wurden, hätten Jugendliche die Führung der Clans übernommen. "Es gibt ganze Viertel in Neapel, die wegen Mangels an sozialer Strukturen unter Kontrolle der Camorra stehen", sagte der Staatsanwalt.
Neapel lebt im Krieg
Auch der neapolitanische Bestsellerautor und Camorra-Experte Roberto Saviano schlägt Alarm. "Jugendbanden töten und beherrschen einen Raum, in dem sie viel mehr als die lokalen Politiker zählen", sagte Saviano. Selbst die im Kampf gegen die Kriminalität eingesetzten Behörden erklärten sich vor dieser Gewaltwelle machtlos. "Neapel lebt seit jeher im Krieg. Ein Krieg mit immer jüngeren Soldaten, man kann schon von Kindersoldaten sprechen. Diese Situation entsteht aus Armut, Arbeitslosigkeit und einer tiefen Krise des Schulsystems", analysierte Marco Rossi Doria, Lehrer und Politiker in Neapel.
Tausende Polizisten und Soldaten im Einsatz
"Neapel muss besser bewacht werden, doch man muss vor allem auf Vorbeugung setzen", betonte Staatsanwalt Roberti. Oppositionsparteien beschuldigen die Regierung, die Vesuvstadt der organisierten Kriminalität überlassen zu haben. Innenminister Angelino Alfano hielt dem entgegen, dass tausende Polizisten und Soldaten in der Region Neapel eingesetzt seien. Damit sei der neapolitanische Raum der am stärksten kontrollierte in Italien.
Strafmündig ab 16 Jahren
Alfano forderte die Herabstufung der Strafmündigkeit von 18 auf 16 Jahre. Jugendliche würden Straftaten begehen und wüssten dabei genau, dass ihnen in ihrem Alter nichts passieren könne. Teilweise würden auch Kinder von Erwachsenen zu Straftaten angestiftet."Wenn man mit 16 Jahren mit einer Pistole in der Hand herumläuft, kann man nicht behaupten, man wisse nicht, was man tue. Zugleich wollen wir verhindern, dass erwachsene Kriminelle Minderjährige für ihre Verbrechen benützen. Mafia-Bosse geben Teenagern Pistolen in die Hand, weil sie nicht strafbar sind", sagte Alfano.