Exil-Kurden in Österreich warnen vor Ethnisierung des Konfliktes durch die Türkei und das Assad-Regime.
Nach Angaben syrischer Kurden in Österreich halten die Gefechte in der syrischen Grenzstadt zur Türkei, Ras al-Ain, weiter an. Islamisten kämpfen dort gegen Kurden, etwa die Hälfte der rund 50.000 Stadtbewohner sei mittlerweile geflüchtet, hieß es gegenüber der APA in der Nacht auf Donnerstag. Zuletzt hatten Oppositionsvertreter zwei Tage zuvor Zusammenstöße in der Stadt gemeldet.
Ursache der Kämpfe sei ein „Spiel von der Türkei“, sagte Jamal Omari, ein Vertreter der kurdischen Partei Azadi-("Freiheit"). Der Politiker war kurz zuvor von einem Aufenthalt in Syrien nach Wien zurückgekehrt. Aus Sicht Omaris möchte die Türkei mit ihrer Unterstützung verhindern, dass Kurden in der Region zu mehr Rechten kommen. Deshalb unterstütze die Regierung in Ankara salafistische Gruppierungen wie die Al-Nusra-Front („Unterstützerfront“), Katibat al-Ghuraba („Bataillon der Fremden“) und andere Gruppen wie etwa die Liwa at-Tawhid („Brigade der Einheit“), die dem Umfeld der Freien Syrischen Armee (FSA) zugerechnet werden, im Kampf gegen die Kurden.
In der seit jeher von Yeziden, Arabern und Kurden bewohnten Stadt kämpften gegenwärtig Kurden gegen Araber, allerdings seien diese Araber keine angestammten Einwohner, sagte der Kurdenpolitiker. Sie kämen aus allen Teilen Syriens sowie aus dem Ausland. „Alle, auch die Araber aus Ras al-Ain, sind gegen diese Kämpfe“, so Omari. Auch das syrische Regime unter Präsident Bashar al-Assad setze auf die Ethnisierung des Konflikts und versuche, Araber gegen Kurden aufzuhetzen. Die jahrzehntelangen Bemühungen des Regimes, Misstrauen und Zwietracht zwischen Arabern und Kurden zu säen, könne man aber sogar bei oppositionellen Auslandssyrern in Österreich spüren: Die syrischen Araber innerhalb des gemeinsamen „Koordinationskomitee“ seien misstrauisch gegenüber den Kurden.
Sorge macht den Oppositionellen in Österreich die allgemeine humanitäre Situation in den Kurdengebieten: Die Kälte, die spärliche Stromversorgung, die enorm teuren Lebensmittel und Kraftstoffe wie Diesel und Heizöl, sowie der Mangel an Heizmaterial setze den Menschen zu. Vor einigen Tagen musste sich seine Familie in der Stadt Amuda zehn Stunden in einer Schlange anstellen, um Brot zu ergattern, sagte Omari. Ein Liter Diesel habe in der Gegend zuvor 25 syrische Pfund gekostet, nun zahle man 175 syrische Pfund. Der Preis von Gasflaschen, die man zum Kochen brauche, sei um das elffache auf 4.600 syrische Pfund angestiegen. Über die erste Hilfslieferung mit Lebensmitteln und Diesel aus dem Nordirak am vergangenen Sonntag zeigte sich Omari sehr erleichtert.
Immerhin sehe die Bevölkerung die Vertreibung des Assad-Regimes aus der Region als Erleichterung, glaubt der kurdische Politiker. Man könne über alles in der Öffentlichkeit sprechen. „Die Leute genießen diese Freiheit“, sagte der 32-Jährige. Einzig bei der Partei der Demokratischen Union (PYD), der Schwesternpartei der in der Türkei verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans PKK, sei etwas Vorsicht geboten. Omari zufolge wurde vor einigen Monaten ein Mitglied der Azadi-Partei aufgrund seiner Kritik durch Anhänger der PYD ermordet.