Der 85-Jährige gilt als Pionier auf dem Gebiet der künstlichen Befruchtung.
Der Nobelpreis 2010 für Physiologie und Medizin geht an den britischen Wissenschafter Robert G. Edwards (geb. 1925) für seine Forschungsarbeiten, welche am 25. Juli 1978 zur Geburt des ersten "Retortenbabys" der Welt führte. Dies gab das Karolinska-Institut in Stockholm Montag am späten Vormittag bekannt.
Infertilität behandelbar
"Seine Errungenschaften machten es möglich, Infertilität zu behandeln. Das ist eine Situation, die einen wesentlichen Anteil der Menschheit betrifft - inklusive etwa zehn Prozent von Partnerschaften weltweit", hieß es in der Begründung.
Die Auszeichnungen ist mit zehn Millionen schwedischen Kronen (rund 1,058 Mio. Euro) dotiert. Im vergangenen Jahr ging der Medizin-Nobelpreis an die drei in den USA tätigen Wissenschafter Elizabeth H. Blackburn, Caro W. Greider und Jack W. Szostak für Erkenntnisse, "wie Chromosomen durch Telomere (Endkappen der Chromosomen) und das Enzym Telomerase (baut Telomere auf.) geschützt werden. Diese Mechanismen sind für die Zellalterung und die Krebsentstehung wichtig.
Vier Millionen IVF-Babys
"Bereit so früh wie in den 1950er Jahren hatte Edwards die Vision, dass eine In-Vitro-Ferlisierung hilfreich bei der Behandlung der Infertilität sein könnte. Er arbeitete systematisch, um dieses Ziel zu erreichen, entdeckte wichtige Prinzipien der Fruchtbarkeit des Menschen und war erfolgreich bei der Befruchtung des menschlichen Eis im Labor. Seine Bemühungen wurden schließlich vom Erfolg am 25. Juli 1978 gekrönt, als das erste 'Retortenbaby' der Welt geboren wurde. In den folgenden Jahren verfeinerten Edwards und seine Mitarbeiter die IVF-Technik und teilten sie mit ihren Kollegen rund um die Welt", hieß es am Montag im Statement über die Zuerkennung des Medizin-Nobelpreises 2010 an Edwards. Mittlerweile wurden weltweit schon vier Millionen IVF-Babys geboren.
Der Hintergrund: Etwa zehn Prozent der Partnerschaften weltweit haben ein Fertilitätsproblem. Das bringt zum Teil enormen Stress und Belastungen für die Betroffenen. Die künstliche Befruchtung im Labor umgeht dabei mittlerweile sowohl Probleme von Frauen als auch von Männern: zum Beispiel mangelnde Durchgängigkeit der Eileiter oder eine schlechte Spermaqualität.
"Reihe von fundamentalen Entdeckungen"
Das Karolinska-Institut zu den Arbeiten von Edwards, der nach dem Zweiten Weltkrieg in Edinburgh studierte und dann 1958 an das Nationale Institut für Medizinische Forschung in London ging, wo er seine Arbeiten über die Fruchtbarkeit beim Menschen startete, und schließlich ab 1963 in Cambridge an der Universität und dann an der Bourn Hall Clinic (erste IVF-Klinik der Welt) arbeitete: "Edwards erkannte bald, dass eine Fertilisierung außerhalb des Körpers eine mögliche Behandlungsform für Infertilität darstellen könnte. (...) Er machte eine Reihe von fundamentalen Entdeckungen. Er klärte auf, wie das menschliche Ei heranreift, wie verschiedene Hormone diesen Prozess regulieren und zu welchem Zeitpunkt die Eizelle empfänglich für die Befruchtung durch ein Spermium wird. (...) 1969 wurden seine Bemühungen mit dem Erfolg belohnt, dass er erstmals eine menschliche Eizelle im Labor befruchten konnte."
Ein Problem aber blieb: Die befruchteten Eizellen kamen nicht über eine einzige Zellteilung hinaus. Dabei sollten sie ja ständig teilen, um in die Entwicklung zu einem Organismus einzutreten. Das Karolinska-Institut: "Edwards vermutete, dass menschliche Eizellen, die bereits in den Eierstöcken herangereift waren, bevor sie für die IVF gewonnen wurden, dafür besser geeignet wären und sah sich nach Möglichkeiten um, die Eizellen sicher zu gewinnen."
Forscher finanzierten Projekt privat
Dabei wandte sich der britische Wissenschafter an den Gynäkologen Patrick Steptoe. Mit ihm entwickelte der dann die IVF so, dass sie in der klinischen Praxis angewendet werden konnte. "Steptoe war einer der Pioniere der Laparoskopie ("Schlüsselloch-Chirurgie", Anm.), eine Technik, die damals noch neu und kontroversiell diskutiert wurde. Sie erlaubt aber die Inspektion der Eierstöcke mit einem optischen Instrument. Steptoe benutzte es, um Eizellen zu gewinnen, Edwards brachte sie in Zellkulturen ein und gab Spermien hinzu", schrieb das Karolinska-Institut.
Weil staatliche Stellen in Großbritannien die Finanzierung der weiteren Arbeiten verweigerte, finanzierten die Wissenschafter ihr Projekt schließlich privat. Der spätere Riesenerfolg, so das Stockholmer Institut: "Im Jahr 1978 kamen Lesley und John Brown in die Klinik, nachdem sie neun Jahre lang kein Kind bekommen konnten. Eine IVF-Behandlung wurde durchgeführt. Die befruchtete Eizelle wurde im Acht-Zell-Stadium Lesley Brown implantiert. Am 25. Juli 1978 wurde ein gesundes Baby, Louise Brown, per Kaiserschnitt nach einer Schwangerschaft in normaler Länge entbunden."
Mittlerweile wurde die Methode weiter verfeinert. Hinzu kam zum Beispiel die artifizielle Spermien-Infektion (ICSI), welche eine Schwäche der Spermien des Mannes ausgleichen kann. In zahlreichen Staaten wird die IVF auch bereits vom Staat bzw. der Krankenversicherung ganz oder teilweise bezahlt. Eine solche Regelung gibt es auch in Österreich. Am 5. August 1982 kam das erste IVF-Baby Österreichs mit den Gynäkologen Wilfried Feichtinger, Peter Kemeter und Stephan Szalay (Universitäts-Frauenklinik am AKH) in Person von Zlatan Jovanovic auf die Welt.