Nordkorea schoss ballistische Geschoße ins Japanische Meer.
Die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel spitzen sich wieder zu: Nur wenige Tage nach dem Test von Marschflugkörpern hat Nordkorea nach Angaben des südkoreanischen Militärs am Mittwoch zwei Kurzstreckenraketen Richtung offenes Meer abgefeuert. Südkorea und Japan beriefen ihre Nationalen Sicherheitsräte ein. Wenige Stunden später meldete Südkorea, dass es eine eigenständig entwickelte ballistische Rakete erfolgreich unter Wasser von einem U-Boot aus abgefeuert habe.
Die ballistischen Raketen seien am Mittwochnachmittag (Ortszeit) von Yangdok im nordkoreanischen Inland gestartet und dann etwa 800 Kilometer weit in Richtung Japanisches Meer (koreanisch: Ostmeer) geflogen, teilte Südkoreas Generalstab mit. Das US-Militär erklärte, für die Vereinigten Staaten oder ihre Verbündeten habe keine unmittelbare Bedrohung bestanden. Gleichwohl zeige der Test, dass das illegale Waffenprogramm Nordkoreas destabilisierend wirke, erklärte das Indo-Pazifik-Kommando des US-Militärs.
Im Gegensatz zu Marschflugkörpern verbieten UN-Resolutionen der selbst erklärten Atommacht Nordkorea die Erprobung ballistischer Raketen, die je nach Bauart auch atomare Sprengköpfe tragen können. Die jüngsten Waffentests durch Nordkorea werden auch als eine direkte Herausforderung der Regierung von US-Präsident Joe Biden gesehen. Die Angebote Washingtons zur Wiederaufnahme der Verhandlungen ohne Vorbedingungen über das nordkoreanische Atomwaffenprogramm hatte Pjöngjang bisher abgelehnt.
Beim jetzigen Test erreichten die Raketen dem südkoreanischen Militär zufolge eine Flughöhe bis zu 60 Kilometern. Zusammen mit US-Behörden werden weitere Details noch analysiert. In Seoul wollte - wie üblich in solchen Fällen - der Nationale Sicherheitsrat über die Lage beraten. Nordkorea ist wegen seines Atomprogramms harten internationalen Sanktionen unterworfen, die auch die wirtschaftliche Entwicklung des abgeschotteten Landes hemmen.
Auch Japan ging beim jüngsten nordkoreanischen Waffentest vom Start zweier ballistischer Raketen aus. Ministerpräsident Yoshihide Suga verurteilte den Test. Dieser bedrohe "den Frieden und die Sicherheit Japans sowie der Region". Die Raketen seien außerhalb der "exklusiven Wirtschaftszone" Japans ins Meer gestürzt, berichtete die japanische Nachrichtenagentur Kyodo unter Berufung auf die Küstenwache.
Zeitgleich zu dem neuen nordkoreanischen Raketentest gab Südkorea bekannt, dass es eine ballistische U-Boot-gestützte Rakete erfolgreich getestet habe. Dies habe eine große Bedeutung für die Abschreckung und Selbstverteidigung, erklärte das Präsidialamt in Seoul. Präsident Moon Jae-In habe den Test am Mittwoch von einem Testzentrum im Westen des Landes verfolgt, teilte das Präsidialamt in Seoul mit. Demnach wurde Rakete von einem U-Boot der 3.000-Tonnen-Klasse abgefeuert. Die Rakete habe die vorgesehene Distanz überbrückt und ihr Ziel erreicht.
Südkorea ist damit das erste Land ohne Atomwaffen, das ein solches System entwickelt hat. Andere Länder wie die USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien verfügen über solche Raketen und haben sie für den Einsatz von Atomsprengköpfen entwickelt.
Der neuerliche Waffentest durch Nordkorea kam nach Meinung von Beobachtern nicht überraschend. Wie schon einige Monate zuvor erfolgten auch die jüngsten Waffentests nach einer gemeinsamen Militärübung der Streitkräfte der USA und Südkoreas. Die Kommandoübung, die Pjöngjang scharf kritisiert hatte, wurde nach neun Tagen am 26. August beendet. Im März hatte Nordkorea ebenfalls Marschflugkörper nach einer solchen Kommandoübung in Südkorea unternommen. Wenige Tage später folgte dann ein Test mit ballistischen Kurzstreckenraketen.
Am vergangenen Wochenende hatte Nordkorea nach eigenen Angaben einen neuartigen Typ von Marschflugkörpern "von großer strategischer Bedeutung" mit großer Reichweite getestet. Die zwei getesteten Lenkflugkörper hätten in 1.500 Kilometer Entfernung ihre Ziele im Meer getroffen. Laut Experten deutete Nordkorea an, dass der neue Marschflugkörper ebenfalls mit Atomsprengköpfen bestückt werden soll.
Südkoreas Verteidigungsminister Suh Wook hatte am Dienstag vor dem Parlament den Lenkflugkörper-Test des Nachbarlandes bestätigt. Eine genaue Analyse werde noch durchgeführt. Anders als ballistische Raketen verfügen Marschflugkörper über einen permanenten eigenen Antrieb.
Pjöngjang treibt seit Jahren die Entwicklung von Raketen voran, die nicht nur Südkorea und Japan treffen, sondern auch Atomsprengköpfe bis in die USA tragen können. Nach Schätzungen der amerikanischen Organisation Arms Control Association vom August 2020 lagern in Nordkorea 30 bis 40 Atomsprengköpfe.