Norwegens Gesetze

Kommt Attentäter nach 21 Jahren frei?

Teilen

Die Höchststrafe in Norwegen beträgt 21 Jahre. Dann könnte der Killer freikommen.

Wer in Norwegen ein Verbrechen begeht, muss mit maximal 21 Jahren Gefängnis rechnen - so sieht es das Strafgesetzbuch vor. Doch nach den blutigen Anschlägen vom Freitag mit mehr als 90 Toten würden viele Norweger am liebsten ihr Gesetz umschreiben, damit der mutmaßliche Attentäter Anders Behring Breivik lebenslang hinter Gitter kommen kann. Auf den Straßen und im Internet debattieren die Menschen seit Tagen wild über die Grenzen ihres freien und toleranten Landes, einige fordern sogar die Todesstrafe für den 32-jährigen Norweger.

Kein Recht zu leben
  "Es wurden so viele Menschen unschuldig hingerichtet, dass ich wirklich der Meinung bin, dass er kein Recht auf Leben hat", schreibt Mari Kaugerud als Beitrag in die Facebook-Gruppe "Ja zur Todesstrafe für Anders Behring Breivik", die kurz nach ihrer Gründung bereits rund 1800 Mitglieder zählte. Zu dutzenden entstehen in sozialen Netzwerken derzeit solche Gruppen und Themenseiten, im Minutentakt hinterlassen die Internetnutzer dort Nachrichten und Botschaften. Mal drücken sie den Opfern ihr Mitgefühl aus, mal schicken sie den mutmaßlichen Attentäter zur Hölle.

Lesen Sie auch

Ganz so weit wie Kaugerud gehen die meisten Norweger nicht, für die Todesstrafe sind hier die wenigsten. Aber dass Behring Breivik im Fall einer Verurteilung das Gefängnis jemals wieder verlässt, wollen sie auch nicht. "Solche Menschen sollten nie wieder unter normale Leute gelassen werden", empört sich Mustafa, ein norwegischer Kioskbesitzer mit iranischen Wurzeln. "Wenn er 21 Jahre bekommt, wie alt kommt er dann raus? 53! Nein, er hat zuviel zerstört, um jemals wieder entlassen werden zu können."

Todesstrafe abgeschafft
Das norwegische Strafgesetzbuch sieht tatsächlich für ein Verbrechen eine Höchststrafe von 21 Jahren sowie zahlreiche Fälle für eine Strafminderung vor. Die Gefängnisse in dem skandinavischen Land gelten zudem als komfortabel und modern. Die brutalen Taten vom Freitag einmal ausgeklammert, hat das Land Kriminalitätsraten und Quoten von Wiederholungstätern unterhalb des europäischen Durchschnitts. Die Todesstrafe wurde bereits 1902 für die meisten Verbrechen, endgültig dann 1979 abgeschafft. Die letzte Hinrichtung fand im Jahr 1948 statt.

 Bleibt es bei den 93 Todesopfern vom Freitag und bekommt Behring Breivik die Höchststrafe, müsste er für jedes Opfer gerade einmal 82 Tage absitzen. Zwar kann die Maximalstrafe im Einzelfall mehrmals jeweils um fünf Jahre verlängert werden, und zwar dann, wenn der Verurteilte von Experten als nach wie vor gefährlich eingeschätzt wird. "Aber wie oft passiert denn das?", sagt Daniel de Francisco, ein 25-jähriger Koch. "Die europäischen Regierungen sind in dieser Frage viel zu lasch. Er muss sein Leben lang weggesperrt werden", fordert er und zieht verbittert an seiner Zigarette.

 Die Studentin Helen Arvesen ist zwar ebenfalls gegen die Todesstrafe, 21 Jahre Maximalstrafe sind aber auch ihr entschieden zu wenig. "Auch wenn er freigelassen wird, wird er sich so vielen empörten Menschen gegenüber sehen, dass er nicht mehr sicher sein wird." Ihr Mutter steht neben ihr und nickt zustimmend.

Norwegens Regierungschef Jens Stoltenberg ringt seit Tagen um die richtigen Worte, um das Unfassbare auszudrücken und einer tief getroffenen Nation wieder Mut zu geben. Zum Täter und seiner möglichen Strafe äußert sich die Politik erwartungsgemäß zurückhaltend. "Die Antwort auf Gewalt ist mehr Demokratie, mehr Offenheit und mehr Menschlichkeit", war eine der ersten Reaktionen Stoltenbergs auf die Bluttaten. "Aber nicht mehr Naivität."
 

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.

Diashow: Norwegen trauert um die Terror-Opfer - BILDER

Premier Stoltenberg und der Chef der Jungen Sozialisten, Pedersen, kommen am Sonntag zum Trauergottesdienst in Oslo.

Premier Stoltenberg im Osloer Dom.

König Harald und Königin Sonja trauern um die Opfer

Das norwegische Königspaar kommt zum Trauergottesdienst.

Kronprinzessin Mette-Marit und Kronprinz Haakon auf dem Weg zur Trauerfeier.

Das Thronfolgerpaar ist zutiefst erschüttert.

Kronprinzessin Mette-Marit und Kronprinz Haakon auf dem Weg zur Trauerfeier.

Kronprinzessin Martha Louise und ihr Mann Ari Behn beim Trauergottesdienst.

Bischof Ole Christian Kvarme und der Chef der Jungen Sozialisten, Eskil Pedersen.

Trauernde Angehörige der Terror-Opfer.

Trauernde Angehörige der Terror-Opfer.

Die Opfer des Terrors

Diashow: Trauer um die Terror-Opfer in Norwegen - BILDER

Das norwegische Königspaar trauert.

Premier Jens Stoltenberg trägt sich ins Kondolenzbuch ein.

Königin Sonja kondoliert dem Chef der Jungsozialisten, Eskil Pedersen.

Auch im fernen Australien gedenken Norweger der Terror-Opfer, so wie hier in einer Kirche in Sydney.

Auch im fernen Australien gedenken Norweger der Terror-Opfer, so wie hier in einer Kirche in Sydney.

Auch im fernen Australien gedenken Norweger der Terror-Opfer, so wie hier in einer Kirche in Sydney.

Auch im fernen Australien gedenken Norweger der Terror-Opfer, so wie hier in einer Kirche in Sydney.

Diashow: Weitere Verhaftungen nach Terror in Oslo - BILDER

Im Zentrum Oslos haben Soldaten Stellung bezogen.

Im Zentrum Oslos haben Soldaten Stellung bezogen.

Im Zentrum Oslos haben Soldaten Stellung bezogen.

Breiviks Vater unter Polizeischutz

Der Vater des mutmaßlichen norwegischen Attentäters Anders Behring Breivik steht im südfranzösischen Cournanel vorsorglich unter Polizeischutz

Das Anwesen des Mannes werde von der Gendarmerie bewacht, sagte Staatsanwalt Antoine Leroy am Montag. Ziel sei es, für Ruhe und Ordnung zu sorgen. "Es gab keinerlei Hausdurchsuchung", betonte Leroy. Entsprechende Gerüchte seien falsch.

Der Wohnort des Pensionisten rund 100 Autokilometer nordwestlich von Perpignan wird seit Sonntag von zahlreichen Journalisten belagert.

Ein Kontakt zu Jens Breivik herzustellen, gelang offensichtlich aber nur norwegischen Medien

Der Pensionist habe angegeben, seit 1995 nicht mehr mit seinem Sohn gesprochen zu haben, schrieb die Zeitung "VG" am Montag.

Sie hätten nie zusammengewohnt; die Eltern hätten sich schon 1980 getrennt. Als Bub sei Breivik verschlossen, aber nicht politisch interessiert gewesen.

Der Fernsehsender NRK zitiert aus einer E-Mail, in der Breiviks Vater schreibt: "Ich fühle große Trauer und Entsetzen über das, was geschehen ist. Ich komme über den Schock der wahnsinnigen Taten von Anders nicht hinweg, mit dem ich seit 1995 keinen Kontakt mehr hatte. Für mich ist unbegreiflich, dass so etwas geschehen konnte."

Unklar war am Montag, ob sich Jens Breivik weiter in seinem Haus in Südfrankreich aufhielt. Seine Lebensgefährtin erklärte Medienvertretern, er sei am Sonntag nach Spanien gereist. Eine Bestätigung dafür gab es zunächst aber nicht.

OE24 Logo
Es gibt neue Nachrichten