Horror-Reaktor
Nur 24 Stunden, um den Super-GAU zu verhindern
17.03.2011Misslingen die Kühlversuche, droht massive Verseuchung.
Bis Freitagnacht entscheidet sich, ob die Atomkatastrophe in Japan große Teile der Welt verseucht. Mit allen Mitteln versucht die Armee, die Lage im Chaos-Kraftwerk Fukushima 1 unter Kontrolle zu bekommen. Ein letzter Drei-Punkte-Plan soll die Rettung bringen:
- Zuerst warfen Hubschrauber vom Typ Chinook CH-47 Wasser über dem Reaktorblock 3 ab. Erfolglos, die Strahlung für die Crew war zu hoch. Das Wasser sollte den Reaktor kühlen und das Abklingbecken für Atombrennstoffe wieder auffüllen. Kraftwerksbetreiber Tepco hatte mitgeteilt, das Becken in Reaktorblock 3 sei leer, die Brennstäbe würden sich immer weiter erhitzen.
- Schritt zwei: Neben den Helikoptern wurden später auch fünf Hochdruck-Wasserwerfer zur Kühlung des Reaktors 3 eingesetzt. Sie versprühten 30 Tonnen Wasser, doch auch diese Aktion blieb ohne Erfolg. Die horrende Strahlenbelastung ging nicht zurück. Nach Meinung von Experten verdeutlichten diese Maßnahmen nur, wie dramatisch die Lage ist.
- Schließlich sollte als dritter Schritt eine neue Starkstromleitung zum AKW gelegt werden, mit der die Kühlung der Reaktoren wieder in Gang gebracht werden soll. Misslingt auch dieser Einsatz, sind Japans Atom-Experten mit ihrem Latein am Ende.
Experten: Wasser ist nur Vorlauf für Borsäure
Experten glauben: Das Abwerfen von Wasser ist nur ein Vorlauf für Aktionen mit Borsäure. Borsäure löscht und absorbiert Radioaktivität. Frankreich soll bereitstehen, große Mengen zur Unterstützung des Einsatzes zu liefern. Die Arbeit auf dem Reaktorgelände ist extrem gefährlich. Trotzdem haben sich 20 japanische Freiwillige gemeldet, die mit anderen gegen die tödliche Strahlung ankämpfen wollen (siehe unten).
Entscheidung bis Freitagnacht
Experten sind sicher: Ob sich der Super-GAU, der Tschernobyl in den Schatten stellen wird, vermeiden lässt, entscheidet sich heute, Freitagnacht. Scheitere die Armee mit ihrem Kühlversuch, würden die Brennelemente verglühen. Dann würde „geballte Radioaktivität von mehreren Jahren Betriebsdauer“ frei. Die Folgen wären tödlich und unabsehbar.
Noch besteht Hoffnung
Noch gibt es aber ein bisschen Hoffnung: Wenigstens für den umstrittenen Kraftwerksbetreiber Tepco war der Löscheinsatz des Militärs an der Reaktorruine ein Erfolg. Es sei Dampf aufgestiegen, also hätten die Wasserwerfer die glühenden Brennstäbe getroffen.
50 Helden gegen Katastrophe
Vermummt in weißen Schutzanzügen, unbequeme Masken vor die Gesichter gespannt und die Kapuzen über ihren Köpfen fest zugezogen: Etwa 50 Arbeiter der Firma Tokyo Electric Power sind noch beim Atomkraftwerk Fukushima zurückgeblieben, um sich gegen die drohende Katastrophe zu stemmen. Sie sind die letzte Hoffnung Japans, den Super-Gau zu verhindern.
Fast alle freiwillig
Die Männer, die sich fast alle freiwillig zu dieser Rettungsaktion gemeldet haben, wollen die beschädigten Reaktoren kühlen. Sie kriechen mit schweren Sauerstofftanks am Rücken durch ein Labyrinth aus Geräten und pumpen Hunderte Liter Meerwasser durch rasch verlegte Feuerwehrschläuche in die Reaktoren. Sie versuchen zu verhindern, dass es zur Kernschmelze kommt. Während sie das Unmögliche riskieren, blickt die ganze Welt zu ihnen. Denn es ist ein Job, bei dem das allergrößte Opfer überhaupt auf dem Spiel steht: Ihr eigenes Leben.
Todgeweihte?
Die Strahlenintensität, die im Atomkraftwerk auf die 50 Männer trifft, kann und wird laut Wissenschaftern trotz der Schutzausrüstung tödliche Folgen haben. Die Strahlenbelastung ist mit 400 Millisievert pro Stunde so hoch, dass eine Dosis innerhalb von 12 Stunden bei der Hälfte der Arbeiter den Tod zur Folge hat. Tokyo Electric Power meldete bis jetzt fünf Tote und Dutzende Verletzte. Die Helden von Fukushima sind Helden ohne Gesichter. Tokyo Electric Power veröffentlicht ihre Namen nicht. Es ist der Glaube an etwas Großes, dass sie ausharren lässt.