Rund 3.000 Menschen starben während Obamas erster Amtszeit durch Drohnen.
Tod oder Leben - Barack Obamas Daumen kann darüber entscheiden. Auf einer schwarzen Liste gibt der US-Präsident weltweit Terrorverdächtige zum Abschuss frei. Doch die umstrittenen Einsätze unbemannter Flugkörper zur gezielten Tötung von Menschen bringen Obama immer mehr Kritik ein - auch in den eigenen Reihen. Nach einem Bericht der "New York Times" vom Sonntag sucht sein Sicherheitsstab mit Hochdruck nach Spielregeln zum Einsatz von Drohnen.
"Wir brauchen ein legales Fundament", erklärte Obama dazu jüngst in einer TV-Talkshow. Nach dem Zeitungsbericht beschäftigen sich Obamas Mitarbeiter damit bereits seit Wochen. Für den Fall, dass Obama die Präsidentschaftswahl nicht gewonnen hätte, sei es ihr Ziel gewesen, der neuen Regierung Maßgaben für die Tötung mit den per Joystick gesteuerten Waffen an die Hand zu geben.
In Obamas Regierung mehren sich Forderungen nach Grenzen für das ferngesteuerte Killerprogramm. Nach Berichten der "Washington Post" starben dadurch in Obamas erster Amtszeit in mehr als 300 Angriffen fast 3.000 Menschen. Die meisten von ihnen seien unschuldige Zivilisten, die als "Kollateralschaden" in Kauf genommen würden, kritisieren Menschenrechtsorganisationen. Da sei es nur noch eine Frage der Zeit, bis mehr Menschen durch den Einsatz der unbemannten Flugzeuge gestorben sein werden als bei den Terroranschlägen am 11. September 2001 ums Leben kamen.
Seit diesen Anschlägen wurden Drohnen unter der Regierung von George W. Bush eingesetzt, um in das Attentat verwickelte Mitarbeiter des Netzwerks Al-Kaida umzubringen. Unter Friedensnobelpreisträger Obama habe sich die Latte für Drohneneinsätze mächtig verschoben, so Kritiker.
Die USA setzen ihre Kampfdrohnen unter anderem in Pakistan und Afghanistan, dem Irak, in Somalia und im Jemen ein - immer häufiger, um die dortigen Sicherheitskräfte zu unterstützen. Die Einsätze haben bereits zu großen Spannungen zwischen den USA und der pakistanischen Regierung geführt. Sie werden vom Auslandsgeheimdienst CIA dirigiert. Für Überwachungsflüge ist das US-Militär zuständig. Seit kurzem setzt nach Medienberichten sogar das US-Außenministerium Drohnen ein: zur Überwachung der größten US-Botschaft der Welt in Bagdad. Am Wochenende zogen Mitarbeiter der Vereinten Nationen in Erwägung, Drohnen auch zur Kontrolle des umkämpften Ostkongos einzusetzen.
"In den letzten vier Jahren ist die Zahl der Drohnenattacken, etwa in Pakistan oder im Jemen, dramatisch angestiegen", kritisiert der demokratische Kongressabgeordnete Dennis Kucinich. "In vielen Fällen werden diese Drohnen weitab vom international definierten Schlachtfeld genutzt."
Besonders umstritten ist der erste Fall, in dem die USA einen ihrer Staatsbürger durch eine Drohne ausschalteten: Den Hassprediger Anwar al-Awlaki. Der in den USA geborene Islamist galt als "Bin Laden des Internets". Er soll die Fäden für Terroranschläge gezogen haben. Als erster US-Bürger wurde Al-Awlaki 2010 auf die Todesliste der CIA gesetzt. Ohne ein Gerichtsverfahren richtete ihn im September 2011 eine Drohne im Jemen hin. Mit ihm starb ein weiterer US-Bürger. Zwei Wochen später traf ein tödliches Geschoß Al-Awlakis 16-jährigen Sohn Abdulrahman, als er gerade mit anderen Teenagern beim Teetrinken war.
"Es ist erschreckend, dass wir in einem Amerika leben, in dem wir um das Recht kämpfen müssen, dass Amerikaner nicht von ihrem eigenen Land getötet werden und dass sie nicht ohne Gerichtsurteil von ihrer eigenen Regierung hingerichtet werden", so Kucinich im Radiosender "Democracy Now".
Auch der Wechsel an der Spitze der CIA könnte einen Kurswechsel in der Drohnenpolitik auslösen. Der zurückgetretene CIA-Chef David Petraeus wollte die Spionagebehörde nach Medienberichten in eine paramilitärische Organisation verwandeln. Petraeus wollte demnach die Flotte der derzeit 35 Kampfdrohnen um 10 weitere unbemannte Flugzeuge erweitern. Doch die für seine Nachfolge gehandelten Kandidaten steuern dagegen. Einer der größten Kritiker des ungehemmten Einsatzes tödlicher Drohnen ist Obamas engster Sicherheitsberater John Brennan. Er gilt als Favorit für den freien Petraeus-Sitz.