oe24-Reporter Herbert Bauernebel erlebte das Finale des historischen Trump-Prozess live aus New York.
Eigentlich machten sich Reporter und Prozessbeobachter in zwei Gerichtssälen des New Yorker Strafgerichts – dem Verhandlungssaal und einem „Overflow“-Raum, in dem auch der oe24-Reporter saß – fürs Heimgehen fertig. Es war kurz nach 16 Uhr Ortszeit an diesem letztendlich schicksalsträchtigen Tag. Richter Juan Merchan hatte bereits angekündigt, dass er die Geschworenen-Jury in Kürze entlassen werde. Sie sollten ihre Beratungen im Schweigegeldprozess gegen den Top-Republikaner Donald Trump am nächsten Tag fortsetzen.
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Doch als die Zeit verstrich, wuchs die Verwunderung. Dann fast wie aus heiterem Himmel der Moment, der alle erstarren ließ: „Ich habe eine Nachricht von der Jury erhalten“, sagt Merchan mit ruhiger Stimme: „Es gibt ein Urteil, sie brauchen noch 30 Minuten, um Formulare auszufüllen…“ Plötzlich angespannte Hektik. Reporter klappten wieder ihre Laptops auf, Trump war zu sehen bei einer sichtlich aufgeregten Unterhaltung mit seinem Chefanwalt Todd Blanche. Kaum wer zweifelte, dass das Urteil „schuldig“ lauten würde. Als bestmögliches Szenario hatte Trump nur hoffen können, dass sich die Geschworene nicht auf ein Urteil einigen können („Hung Jury“). Doch diese Chance war gerade verpufft.
Dann der Moment der Wahrheit: Die Gerichtsdienerin fragte den Jury-Sprecher, ein gebürtiger Ire, wie das Urteil bei jedem Anklagepunkt lautet. Ein Bruchteil der Sekunde Totenstille. Dann: „Guilty“ (Schuldig). Punkte 2: „Guilty“. Es war rasch klar: Trump hat den Prozess in allen 34 Verbrechenspunkten verloren.
Trump versteinert
Wie am Monitor zu sehen war, nahm der nun Verurteilte den "Schuldig-Tsunami" fast wie versteinert auf, mit teilweise geschlossenen Augen. Mitunter schüttelte er den Kopf. Sein Verteidiger Blanche versuchte noch einen Verzweiflungsschlag: Er suchte um eine sofortige Annullierung des Urteils auf, weil es „keine Beweise“ für ein Fehlverhalten gegeben habe. Der Richter wies eiskalt ab. Trump verließ den Saal mit erschöpfter Körperhaltung, doch wollte sich vor den TV-Kameras am Gang gleich wieder kämpferisch zeigen: Er verdammte den Prozess, die Anklage und den Richter, rief Wähler zur „Rache“ an den Wahlurnen bei den Präsidentschaftswahlen auf.
Schon der Prozess war ein Martyrium für Trump: Eineinhalb Monate saß er meist viermal die Woche in dem düster beleuchteten, altmodisch braun möblierten Gerichtssaal in dem trutzigen Zweckbau aus den Vierzigern. Der einst mächtigste Mann der Welt – mit guten Chancen, es wieder zu werden –, hockte hilflos da. Hier war der Richter der Boss, der Trump oft tadelte wie ein Erstklässler. Bei Prozesspausen musste er in einem winzigen Raum warten. Trump rotierte durch Schema wiederkehrender Körperhaltungen: Trotzig, die Arme verschränkt; aufmerksam, vor allem wenn die Jury kritische Zeugen hörte; indigniert, wenn er die Augen schloss. Und oft nickte er einfach nur ein.
Keine Live-Bilder
Das Verfahren wurde nicht live im TV übertragen, auch deshalb gab es täglich einen Medien-Ansturm auf das Gerichtsgebäude. Reporter stellten sich oft bereits um 4 Uhr morgens an. Oder bezahlten professionelle Schlangensteher (bis zu 400 Dollar). Einfache Bürger harrten sogar die ganze Nacht über in der Schlange aus. Vor dem Bau erstreckte sich die Phalanx der TV-Crews entlang von drei Straßenblöcken.
Der Prozess hatte Amerika fasziniert wie kaum einer davor – besonders jetzt das hektische, historische Finale.