ÖSTERREICH-Reporter Herbert Bauernebel erlebt das Tiersterben live mit. Täglich strömen weitere 800.000 Liter Rohöl ins Meer.
Sonst sind die weißen Sandstrände am Golf von Mexiko eine der Top-Attraktionen des Staates Mississippi. Jetzt weht es Öl-Gestank über die idyllische Bucht.
Gut 20 Kilometer soll der katastrophalste Ölteppich der Menschheitsgeschichte von „Long Beach“ noch entfernt sein – wie jüngste Satellitenbilder zeigten.
„Irrsinn.“
Doch das Sterben hat bereits begonnen. Am
Strand werden erste tote Fische angeschwemmt. Einer liegt beim
ÖSTERREICH-Lokalaugenschein im Seetang, er ist bereits halb zerhackt, Möwen
haben wohl bereits heftig herumgehackt. „Das ist der totale Irrsinn, ich hab
mich gestern in den Schlaf geweint“, sagt Tracy Smith (41), eine Anwohnerin
des Ferienortes, die am Strand joggte – und jetzt, fast wie erstarrt, den
Fisch anstarrt. Am Vortag fanden Fotografen hier tote Schildkröten und
weitere verfaulte Fische. „Amerikas Tschernobyl“ nannte der lokale Chef der
Ökogruppe „Sierra Club“ das Desaster im Golf nach dem Sinken der Plattform
„Deepwater Horizon“. Von einem giftigen Hurrikan in Zeitlupe sprechen
andere. Der Fischfang wurde vor den Küsten von gleich vier Staaten
(Louisiana, Mississippi, Alabama und Florida) verboten. „Ich habe derzeit
noch keine Bedenken“, wirft der Hobby-Fischer Donnie Davis (36) seine
Angelroute am Pier in die stille See: „Die Fische beißen noch an – doch das
wird nicht mehr lange so bleiben.“ Er will seinen Fang noch selbst
verzehren. Doch er hat Angst: „Die ganze Region lebt vom Meer, nichts wird
mehr so sein wie früher.“
Düstere Prognosen.
Sein Sohn Jonnie jr. stellt viele
Fragen: Werden viele Fische sterben? Was ist passiert? „Ich wünschte, ich
hätte Antworten“, sagt Davis traurig. Nachsatz: „Vielleicht ist das der
letzte unserer Fischausflüge für eine lange Zeit.“
Und diese düstere Prognose ist nicht einmal übertrieben. Derzeit strömen pro Tag noch immer 800.000 Liter ins Meer. Erschreckend: Der Öl-Teppich wächst mit jedem Tag und ist knapp zwei Wochen nach der Öl-Katastrophe bereits 100 mal 200 Kilometer groß – das entspricht ungefähr der Größe von Kärnten und der Steiermark zusammen.
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass diese Explosion die größte Öl-Pest der Geschichte ausgelöst hat. Beim letzten großen Vorfall in den USA 1989, als der Tanker Exxon Valdez vor Alaska auf ein Riff auflief, sind insgesamt 40.000 Liter Rohöl ins Meer geflossen.
Es war eine Katastrophe für die Tierwelt: 250.000 Seevögel verendeten und im verseuchten Wasser sollen 2.800 Otter, 300 Seehunde, 250 Seeadler und 22 Schwertwale ums Leben gekommen sein. 2.000 Kilometer Küste wurden verdreckt – trotz Reinigung hat sich das Meer nur oberflächlich erholt.