Derweil wurde heftige Kritik am Regierungsbericht zur Ölpest laut.
Der britische Ölkonzern BP hat nach eigenen Angaben das lecke Ölbohrloch im Golf von Mexiko nun auch mit Zement versiegelt. Nach dem Einfüllen von Schlamm in den Bohrschacht vor der US-Südküste sei am Donnerstag nach einer fünfstündigen Operation auch die Versiegelung mit Zement abgeschlossen worden, teilte das Unternehmen mit. Experten warnten, die Folgen der Ölpest in der Region könnten noch jahrelang zu spüren sein. Seit der Explosion der von BP gemieteten Bohrinsel "Deepwater Horizon" im Golf von Mexiko im April sind bei deren Eigentümer fast 250 Klagen eingegangen.
Operation
Das Bohrloch werde nun überwacht um sicherzugehen, dass
die Versiegelung erfolgreich verlaufen sei, teilte BP mit. Für das
Hineinpumpen von Zement hatte der Krisenbeauftragte der US-Regierung, Thad
Allen, grünes Licht gegeben. Mit der "Static Kill"-Methode war es BP am
Mittwoch gelungen, mehr als 15 Wochen nach der Explosion der "Deepwater
Horizon" das Bohrloch in 1.500 Meter Tiefe von oben mit mehr als 300 Tonnen
Schlamm zu verschließen, bevor am Donnerstag Zement in das Bohrloch gepumpt
wurde.
"Bottom Kill"
In einem nächsten Schritt soll nun die
Versiegelungsmethode "Bottom Kill" zum Zug kommen: Dabei werden durch
Entlastungsbohrungen auch am unteren Ende der Bohrleitung Schlamm und Zement
eingefüllt. BP teilte mit, bei guten Wetterverhältnissen könne die erste
dieser Bohrungen Mitte August die Bohrleitung erreichen. Die Arbeiten würden
unter Aufsicht der US-Behörden weitergeführt. Dieser zweite Teil der
Versiegelung soll verhindern, dass sich das gestoppte Öl wieder lösen und
nach oben steigen kann.
Seit der Explosion der BP-Plattform "Deepwater Horizon" am 20. April waren aus dem lecken Bohrloch nach Behördenangaben rund 780 Millionen Liter Rohöl (660.000 Tonnen) ausgelaufen. Damit ist das Unglück der größte Ölunfall der Geschichte.
Heftige Diskussionen
Ein Regierungsbericht über den aktuellen
Stand der Ölpest löste heftige Diskussionen aus. Der Studie zufolge sind
bereits drei Viertel des nach dem Unglück ausgeströmten Öls verschwunden. 33
Prozent seien von Einsatzkräften aufgesammelt oder vernichtet worden,
weitere 41 Prozent seien durch die Einstrahlung der Sonne verdunstet, durch
Chemikalien aufgelöst oder durch Mikroben zersetzt. "Viel davon basiert auf
Modellen, Hochrechnungen und sehr großzügigen Annahmen", kritisierte die
Meereswissenschaftlerin Samantha Joye von der University of Georgia in der
"New York Times". Die Resultate würden einer wissenschaftlichen Analyse
nicht standhalten.
"Es ist sehr schwer, überhaupt Öl an der Meeresoberfläche zu finden", sagte dagegen BP-Vizepräsident Kent Wells. "Aber ich will hervorheben, dass BP weiterhin engagiert bleibt, jegliche Verschmutzung zu beseitigen und die Golfküste wieder in ihren alten Zustand zu bringen." Laut dem Regierungsbeauftragten Allen sollen die Schiffe zum Absaugen des Öls nun näher an der Küste eingesetzt werden.
Daten
Die US-Regierung wolle das Problem der Ölpest mit der
Studie beschönigen, um das Thema von der politischen Agenda zu bekommen,
bemängelten Umweltschützer. Schließlich zeigten die Daten im Umkehrschluss,
dass noch mehr als 165.000 Tonnen Öl in der Natur seien - vier bis fünfmal
so viel wie nach der Havarie der "Exxon Valdez" 1989 vor der Küste Alaskas,
sagte Greg Butcher, Direktor der auf die Rettung von Vögeln spezialisierten
National Audubon Society. "Eine Sichtweise kann auch sein, dass immer noch
26 Prozent der weltgrößten Ölpest da draußen sind."
Verseucht
Nach offiziellen Angaben sind mehr als 1.000 Kilometer
Küste verseucht und 24 Prozent der US-Bundesgewässer für den Fischfang
gesperrt. Insbesondere das sensible Marschland im Mississippi-Delta leide
noch immer unter dem Öl, teilte die Naturschutzbehörde des Staates Louisiana
mit. Die Leiterin der US-Meeres-Behörde (NOAA), Jane Lubchenco, erklärte,
die wahren Auswirkungen auf die Umwelt würden "wahrscheinlich noch über
Jahre oder Jahrzehnte hinaus" zu sehen sein. Ein Problem sei, dass auch
zersetzte Ölreste noch giftig seien und Tiere und Pflanzen schädigen könnten.
Trotz der jüngsten Erfolge stehen BP und anderen Verantwortlichen harte Auseinandersetzungen über die Schuld an dem Ölunfall ins Haus. So berichtete die "New York Times" (Donnerstag-Ausgabe), dass die Firma Transocean, von der BP die Ölplattform geleast hatte, im April 2010 Sicherheitsbedenken bei mehreren ihrer Bohrinseln im Golf von Mexiko hatte. Zudem hätten Probleme mit dem Ballastsystem der Plattform zum Sinken beigetragen - danach war das Ölleck kaum mehr zu kontrollieren.
Im Zuge der Ölpest wurden gegen den "Deepwater-Horizon"-Eigentümer Transocean bisher fast 250 Klagen oder Schadenersatzforderungen eingereicht. Bis Montag seien 249 Verfahren gegen Transocean beantragt worden, teilte das in Zürich ansässige Unternehmen in einem Bericht an die US-Börsenaufsicht SEC mit. Transocean hatte die Plattform an BP verpachtet und weist eine Mitverantwortung für die Ölpest von sich. Transocean ist weltweiter Marktführer für Hochsee-Bohrplattformen. Bereits kurz nach dem Unglück hatte der Konzern einen Antrag vor einem US-Gericht eingereicht, um seine Haftung für die Ölpest auf 27 Millionen Dollar (20,5 Mio. Euro) zu beschränken. Den BP-Konzern hat die Katastrophe bereits mehrere Milliarden Dollar gekostet.