Journalist Karl Wendl, 51, berichtet für ÖSTERREICH aus dem Krisengebiet. Das Foto zeigt ihn in der Sathon-Road, nur rund 100 Meter von den Barrikaden entfernt.
Es ist Sonntag, später Nachmittag, schwüle Hitze, 34 Grad, Luftfeuchtigkeit. Mein Taxi-Fahrer bringt mich zum Ratchaprasong-Viertel, der Kampfzone Bangkoks. Rauchwolken steigen auf. 50.000 Soldaten, die an jeder Straßenecke postiert sind, sollen das Gebiet abriegeln. Sie haben Schießbefehl.
Von Alltag keine Spur: Schulen und öffentliche Einrichtungen bleiben Montag und Dienstag geschlossen, alleine seit Donnerstag starben mehr als 25 Menschen, sogar eine Ausgangssperre wird diskutiert. Wir halten an einer Straßensperre in der vierspurigen Sathon-Road, dem Finanzzentrum Bangkoks. Ein Glasturm reiht sich an den anderen. Das gesamte Gebiet ist vor Tagen evakuiert worden. Ein Geisterviertel. Kein Strom. Kein Wasser.
Der Taxifahrer dreht um, rät zur Vorsicht. Ich marschiere zu Fuß weiter.
Die blutjungen Soldaten an der Sperre interessieren sich nicht für mich. Scheinbar kann hier jeder passieren. Sie fragen weder nach einem Ausweis, noch nach einer Presseakkreditierung. Sie lächeln, sind freundlich. Tragen Sturmgewehre, Helme, schusssichere Westen. Am Hosengurt Tränengaspatronen, Gasmasken. Von irgendwoher sind Schüsse zu hören. Eine Rauchwolke ist zu sehen, es riecht nach verbranntem Gummi: "Brennende Autoreifen“, sagen die Soldaten.
Wenige hundert Meter weiter, an jener Stelle, an der sich Sathon-Road und die Rama IX kreuzen – Kampfzone. Links von der vierspurigen Straße das Lumpini-Box-Stadion. Rechts der Lumpini-Tower, ein mächtiges Hochhaus, in dem Scharfschützen lauern. Hunderte Soldaten haben sich hinter Sandsäcken eingebunkert. In Sichtweite die Barrikaden, hinter denen sich rund 15.000 „Rothemden“ verschanzt haben. Dazwischen menschenleeres Niemandsland. „Heckenschützen-Allee“, wird das Gebiet inzwischen genannt. Die „Rothemden“ – sie tragen rote T-Shirts – sind meist blutjung.
„Scheinbar völlig wahllos wird auf einmal herumgeballert“
Die Lage eskaliert. Plötzlich wird von allen Seiten geschossen – Sturmgewehrfeuer, Pumpguns, Scharfschützen. Es ist die Armee, die zuerst gefeuert hat. Scheinbar wahllos wird auf die Barrikaden geballert. Zwei Stunden lang. Dann kontern die Rothemden. M79-Granten schlagen in unmittelbarer Nähe ein. Ich suche Deckung im Boxstadion. Auch zwei Dutzend Soldaten haben sich hier verschanzt. Sie haben Angst, trotzdem lächeln sie. Sie sagen: „Die Roten sind inzwischen schwer bewaffnet. Die Presse schreibt, sie kämpfen mit Steinschleudern. Lachhaft – die sind inzwischen besser ausgerüstet als wir.“
Live im Hauptquartier der Rothemden
Kommt es hier zum Blutbad? Rachaprasong-Platz, im Zentrum Bangkoks.
Hauptquartier der „Rothemden – sie tragen rote T-Shirts. |
Österreicher sind sicher
Von den rund 100 Österreichern in Bangkok sind laut Behörden derzeit
alle in Sicherheit. Georg Zarian, 62, lebt seit zehn Jahren in der
Stadt. Er hat eine Firma zur Veredelung von Schmuck und Gold. |