"Sandy" traf die US-Küste mit voller Wucht. So erlebte H. Bauernebel die Nacht.
Es ist der „Day After“ in New York. Die Weltmetropole liegt am Boden, KO geschlagen von Supersturm „ Sandy “. Nur einmal war es in der jüngeren Stadtgeschichte schlimmer: Als am 11. September 2001, als Al-Kaida-Terroristen zwei Jumbos in die Twin Towers steuerten. 1,9 Millionen, ein Viertel der New Yorker, wachten Dienstag ohne Strom auf. In einem Vorort in Queens brannten 50 Häuser, Rauchfahnen stiegen in den trüben Himmel. Die Feuerwehr kam wegen der Flut kaum heran. Das 330 Kilometer lange Streckennetz der „Subway“ ist bis auf weiteres geschlossen. Die Flut stürzte in Tunnel, überschwemmt Debots. „Von der schlimmsten Stunde“ für die New Yorker U-Bahn sprach Transportchef Joe Lhota. Die Großflughafen JFK, LaGuardia und Newark blieben geschlossen, Hochwasser hatte teils die Startbahnen geflutet. Der „Lincoln Tunnel“ war eine Weile die einzige Verbindung der Insel Manhattans zur Außenwelt.
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Kran baumelt von Wolkenkratzer
Vom Rohbau des 90 Stockwerke hohen Luxusgebäude am Central Park baumelte in 300 Meter Höhe weiter der tonnenschwere Arm eines abgeknickten Krans. Am verheerendsten die Schäden durch die Flut: Neben der U-Bahnschächten lief der „Hugh L. Carey“-Tunnel (früher Battery-Brooklyn-Tunnel) komplett voll. Eine Baugrube auf „Ground Zero“ lief voll. Und dann: Mein Apartmentgebäude an 21 West Street! Die Lobby ist vom Hochwasser verwüstet, fast zwei Meter hoch stand das Wasser hier. Im Fitnesscenter treiben die Matten in der Brühe. Der Strom ist aus, die Lifte stehen, die Elektrik teils ruiniert. 40 Bewohner sind noch hier. Ein beklemmendes Gefühl überkommt mich: Wann können wir hier wieder einziehen?
Ich war da, als Montagnacht die große Flut kam: Plötzlich schoss das Wasser von unten aus den Kanalgittern, überall. In kürzester Zeit wurde die West Street zum Flusslauf. Das Wasser stürzte wie kaskadenartig in die Einfahrt zum Brooklyn-Tunnel, dem mit 2,7 Kilometern längsten Unterwassertunnel Amerikas.
Vor meinem Haus treibt plötzlich ein Wagen vorbei. Drei Menschen mühen sich bis zur Brust im Wasser vorwärts. Sie sind vom reißenden Wasser eingeschlossen. Wir können ihnen auf der anderen Seite nicht helfen, der Weg ist durch die zu tiefe Flut versperrt. Das Hochwasser, ausgelöst durch den mit 4,23 Metern höchsten Pegelstand des New Yorker Hafens (letzter Rekord 1821), kam so rasch, dass Tausende in „Battery Park City“, die Evakuierungsbefehle missachteten, kurzfristig eingeschlossen waren.
Im schwarzen SUV trifft New Yorks Gouverneur Mario Cuomo ein. Er blickt geschockt in den reißenden Strom in die Einfahrt des Battery-Tunnels. Er telefoniert hektisch. „Wir müssen optimistisch bleiben“, ruft er ÖSTERREICH zu, bevor er weiterhetzt. Einen Block weiter steigt beißender Rauch aus der brennenden Subway-Station „Rector Street“ auf. Mehrere Feuerwehrwagen pflügen mit Sirenengeheul durch die gefluteten Straßen.
Schlagartig ist es finster, der Strom ist aus in Lower Manhattan. Die schwarzen Silhouetten der Hochhäuser ragen in den noch tobenden Sturm. Der Wind heult gespenstisch im WTC-Turm (420 Meter). Nur die Blaulichter der Einsatzfahrzeuge beleuchteten gespenstisch die Hochhausschluchten im Finanzbezirk rund um die – ebenfalls bis aufs weitere geschlossene – Börse an der Wall Street.
Ich erlebte eine Geisterstadt während „New Yorks längster Nacht“, so US-Medien: Straße für Straße, Block für Block, nichts als totale Finsternis. Umgestürzte Bäume blockieren die Sixth Avenue. Erst am Morgen trauten sich erste Bürger raus: Sie suchten nach Lebensmitteln. Doch die Läden sind weitgehend dicht. Die bange Frage steht vielen ins Gesicht geschrieben: Wie geht es weiter?