Mein Tagebuch der Apokalypse

ÖSTERREICH-Reporter in New York

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48 Stunden im Zentrum der Katastrophe.

Das tapfere New York versucht, sich wieder hochzurappeln: Unter tosendem Beifall rollen Dienstagnacht wieder die ersten Busse über die Third Avenue. Stunden zuvor war New York noch wie eine Geisterstadt.

Mittwoch 9.30 Uhr: Die Wall Street sperrt auf
Nach 18.000 gestrichenen Flügen heben Jumbos wieder vom JFK-Flughafen ab. Bürgermeister Michael Bloomberg eröffnet um 9.30 Uhr Ortszeit mit dem gewohnten Gebimmel die Börse NYSE an der Wall Street – inmitten eines stromlosen Finanzbezirkes, dem Dröhnen von Dieselstromgeneratoren, dem Surren der Wasserpumpen und nur Blöcke entfernt von ölverschmierten Straßen- und gefluteten U-Bahn-Tunneln. Auch die meisten Brücken sind wieder geöffnet.

Mittwoch, ganztägig: „Subway“ steht still
Doch die „Subway“, das Rückgrat des New Yorker Verkehrs mit 5,5 Millionen täglichen Fahrten, ist weiter stillgelegt: Die 4,23 Meter hohe Wasserwand des „Sandy-Tsunamis“ hatte zehn Tunnels unter dem East-River geflutet: „Das aggressive Salzwasser zerstörte Elektrik und die Signalanlangen“, so Boss Joseph Lhota. Zum Auspumpen rief das verzweifelte New York das Armee-Ingenieurskorps zu Hilfe. Allein aus dem Battery-Brooklyn-Straßentunnel müssen 162 Millionen Liter Wasser abgesaugt werden. Der Sturm hat 7.000 Bäume umgeweht, überall ist der Lärm von Kettensägen zu hören.

Mittwoch, 12.30 Uhr: Wieder in meiner Wohnung
Seit Montag 21 Uhr Ortszeit saßen meine Familie und ich im Hotel. Wir wurden evakuiert. Jetzt komme ich zu meinem Apartmentgebäude zurück, 21 West Street. Windböen wehen immer noch heftig. Auf der Straße liegen Geröll, Holzplanken, Äste. Der Asphalt ist ölverschmiert, es riecht nach Benzin. Bis zu zwei Meter hoch stand hier das Wasser, die Einfahrt zum Battery-Brooklyn-Tunnel ist komplett geflutet. Meine Mission: Gemeinsam mit meinem Sohn Maxwell (10) will ich unsere zwei Meerschweinchen retten. Die Lobby ist gespenstisch beleuchtet mit ein paar Lichtern, gespeist von einem kleinen Generator. Wir steigen 30 Stockwerke hinauf. Maxwell zählt mit, zum Durchhalten. Wir packen die nach einer stockfinsteren Nacht, als die Fenster rüttelten und der Sturm pfiff, völlig verängstigten Tiere in einen Transportkäfig.

Mittwoch, 14 Uhr: Menschen suchen Trinkwasser
Wir nehmen Gewand mit, in der Hektik der Evakuierung vergessene Stromkabel, Adapter. Wir schleppen alles runter durch das stockfinstere Stiegenhaus. Die iPhone-„Taschenlampe“ weist uns den Weg. Mit dem Taxi geht es zurück durch die Geisterzone ins Hotel: Straße für Straße sind die Rollbalken dicht, Menschen suchen nach Essen, Trinkwasser.

Mittwoch, 20 Uhr: Statt Strom gibt es Kerzenlicht
Einige wirken nach zwei stromlosen Nächten schon erschöpft. Im Hotel freut sich meine Tochter Mia (5) riesig, ihre Haustiere wieder zu haben. Doch wie überstehen die New Yorker die nächsten Tage – vor allem die Million ohne Strom? Manhattan ist praktisch zweigeteilt: Unterhalb der 35. Straße beginnt die „dunkle Zone“: Kein Strom, keine offenen Läden, keine Banken, schlechter Handy-Empfang, kaum Internet. Hunderttausende verbringen die 7º C kalte Nacht bei Kerzenlicht.

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