AUA fliegt wieder. 150 Österreicher wollen jetzt weg . Chaos am Airport.
Viele Österreicher wollen jetzt aus Japan flüchten. Aber: Es gibt keine Flüge. Der Zug zum Airport wurde eingestellt.
Es herrscht Chaos
"In Tokio gibt es kaum Lebensmittel, Kerzen und Batterien sind Mangelware", sagt Clemens Lindner (46), Autor aus Hall in Tirol, der seit vielen Jahren in Tokio lebt (siehe unten). Er ist in den Süden des Landes geflohen.
Andere wollen nichts wie weg. Aber: Gestern wurde der Zugverkehr zum Flughafen Narita in Tokio eingestellt. Wer mit dem Taxi hinwollte, stand stundenlang im Stau.
500 Österreicher sind noch in Japan. 150 von ihnen wollen dringend raus. Sie leben in Panik – haben Angst vor Nachbeben, Flutwellen und tödlichen Strahlen aus den AKWs.
AUA nach Tokio
Seit gestern fliegt die AUA (Maschine "Spirit of Austria") wieder Tokio an. In jedem Flieger sitzt ein Strahlenschutz-Experte. Gestern war es Julia Riede, Nuklearphysikerin des Bundesheeres. Sie führt bei der Landung Messungen durch.
"Meine ganze Sorge gilt meinem Baby"
Die Kulturmanagerin und gebürtige Burgenländerin (Neuhodis) Thetis Yoshitake-Kedl lebt seit vier Jahren in Saitama am nördlichen Stadtrand von Tokio. Sie ist mit einem bekannten japanischen Sänger verheiratet. Ihr gemeinsamer Sohn Daichi ist ein Jahr alt. Sie floh sofort vor der atomaren Katastrophe in Japan: "Am wichtigsten ist mir die Gesundheit meines Babys!" In Japan stößt ihre Abreise auf wenig Verständnis.
ÖSTERREICH: Wie haben Sie die Katastrophe erlebt?
Thetis Yoshitake-Kedl: Ohne Vorwarnung bebte die ganze Erde, so stark, wie ich es noch nie zuvor erlebt hatte. Ich hatte fürchterliche Angst um mein Baby. Und dann versuchte ich verzweifelt, meinen Mann zu erreichen, doch das Handynetz war tot. Weil alle öffentlichen Verkehrsmittel ausgefallen waren und Hunderte Menschen bei den Taxiständen Schlange standen, ging mein Mann stundenlang zu Fuß zu meiner Schwiegermutter, wo wir uns dann glücklich in die Arme fielen.
ÖSTERREICH: Sie wollten dann rasch Japan verlassen.
Yoshitake-Kedl: Ich hatte Angst vorm GAU. Doch ich musste zuerst mein Baby in den Pass eintragen lassen. Die Botschaft hat das dann Samstagnacht hinbekommen. Dann sind wir über gespenstisch leere Straßen zum Flughafen gerast. Die Stelzenautobahn hätte jederzeit bei Nachbeben einstürzen können. Am Flughafen habe ich nach stundenlanger Suche endlich ein Ticket ergattern können. Sonntagnachmittag landeten wir in Mailand, am späten Abend in Wien.
ÖSTERREICH: Was sagt Ihre japanische Familie zu Ihrer Flucht aus Japan?
Yoshitake-Kedl: Mein Mann hat Verständnis dafür – weil ich Europäerin bin. Doch er und seine Familie würden Japan nie verlassen. Sie sind pflichtbewusst, wollen sofort wieder arbeiten gehen oder ihrem Land helfen. Mein Mann hat gesagt: "Ich bleibe, auch wenn ich dabei draufgehe."
ÖSTERREICH: Warum haben die Japaner keine Angst?
Yoshitake-Kedl: Sie haben Angst, zeigen es nur nicht, wollen ihr Gesicht nicht verlieren. Mit Erdbeben können sie umgehen. Doch in ihrer Kultur wurde die atomare Gefahr immer heruntergespielt. In der Apotheke haben sie ja nicht einmal gewusst, was Jod-Tabletten sind!
"Ganzes Land geht unter"
© privat
Clemens Lindner (46), Autor aus Hall/Tirol, lebt in Tokio.
ÖSTERREICH: Sie sind in den Süden geflohen ...
Clemens Lindner: Es war eine Irrfahrt. Andauernd wurde die Zugfahrt wegen Stromausfällen abgebrochen. Wir haben nur ein paar Kleidungsstücke in den Koffer geschmissen und haben das Haus verlassen.
ÖSTERREICH: Wo sind Sie?
Lindner: Jetzt bei den Eltern meiner Frau in Südjapan. Wir sind mit dem letzten Zug aus Tokio gekommen. Es ist das totale Chaos ausgebrochen. Kein Strom mehr, Züge stehen, die Leute haben nichts zu essen. Langsam wird die Lage sehr ernst. Mir kommt vor, als würde das ganze Land untergehen.
ÖSTERREICH: Haben Sie überlegt, nach Österreich zu fliehen?
Lindner: Haben wir. Aber wir dachten, dass am Flughafen noch mehr Chaos herrschen würde. Und dass wir dann wieder in Tokio gefangen wären.
"Ich floh zu Stahltreppe"
© Honda Austria GmbH
Roland Berger ist Honda-Boss für Österreich. Er war im Beben.
ÖSTERREICH: Herr Berger, wo waren Sie, als die Erde in Japan bebte?
Roland Berger: Ich war etwa 40 Kilometer nördlich von Tokio in Asakadai bei einem Meeting für Produktentwicklung. Da bebte die Erde drei Minuten lang. Das ist in der Regel ein Killer für Gebäude.
ÖSTERREICH: Wie reagierten Sie? Panik?
Berger: Die Japaner versteckten sich unterm Tisch, die Europäer kauerten an den Wänden. Ich lief hinaus zu einer Stahltreppe. Denn Stahl ist sicher – das weiß ich als Ingenieur. Dann mussten wir raus. Vor dem Gebäude gibt es eigene erdbebensichere Zonen.
ÖSTERREICH: Wie war Ihre Rückkehr?
Berger: Der Weg zum Flughafen dauerte fünf statt einer Stunde. Die Autobahn war gesperrt. Am Flughafen übernachteten Tausende Menschen. Es lief aber alles sehr geordnet ab.