Bevor Migranten die Grenze stürmen
Österreichs Grenzpolizisten sollen den Griechen helfen
01.03.2020
Nicht nur Frontex will jetzt der griechischen Exekutive helfen: Auch österreichische Polizisten sollen einen Durchbruch der Migrantenmassen bei Erdine verhindern.
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Noch soll der Plan des Innenministeriums nicht offiziell bekannt werden: „Alles ist in Ausarbeitung, die Vorbereitung für diesen Einsatz läuft“, will noch niemand im Innenministerium dieses Projekt gegenüber bestätigen. Aber wie oe24.at erfahren hat, ist bereits der griechischen Regierung angeboten worden, dass auch österreichische Polizisten die Grenze zur Türkei gegen Durchbruchsversuche der Migranten sichern sollen. „Bevor unsere Beamten in den Einsatz gehen, muss alles passen“, sagte ein hochrangiger Mitarbeiter des Innenministeriums zu oe24.at.
Es sollen nämlich mit den Grenzpolizisten auch die „bestmögliche Schutzausrüstung“ sowie Fahrzeuge in den Einsatz nach Griechenland geschickt werden. Zitat: „Das wird hochprofessionell ablaufen. Unsere Leute sind bestens geschult.“ Mitte der Woche, wenn die Griechen auch offiziell dieses Unterstützungsangebot annehmen, wird Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) das Startzeichen für den Einsatz der Polizisten an der EU-Außengrenze geben.
75.000 Migranten wollen in die EU
Die Türkei hat nach eigenen Angaben mehr als 75.000 Migranten die Grenze Richtung EU passieren lassen. Bis Sonntag gegen 10.00 Uhr Ortszeit (08.00 Uhr MEZ) hätten 76.358 Migranten über die Provinz Edirne die Grenze passiert, teilte der türkische Innenminister Süleyman Soylu am Sonntag via Twitter mit.
In der Provinz Edirne gibt es Grenzübergänge nach Griechenland und nach Bulgarien. Allerdings berichteten zunächst weder Sofia noch Athen über das Eintreffen größerer Zahlen von Migranten.
Griechenland verstärkt Einheiten an Grenze
Nach Angaben des Migrationsministeriums in Athen von Sonntag hinderte die griechische Polizei bisher 9600 Migranten daran, die Grenze zu überqueren. Zudem verstärkte das Land seine Einheiten an der Grenze.
Die Türkei hat nach aktuellen UN-Angaben rund 3,6 Millionen Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen, hinzu kommen Migranten aus Afghanistan und dem Irak. In einem Flüchtlingspakt mit der EU von 2016 hat die Türkei eigentlich zugesagt, gegen illegale Migration vorzugehen.
Das Abkommen sieht zudem vor, dass die EU alle Flüchtlinge und Migranten, die illegal über die Türkei auf die griechischen Inseln kommen, zurückschicken kann. Im Gegenzug nimmt die EU regulär Syrer aus der Türkei auf. Ankara erhält zudem finanzielle Unterstützung für die Versorgung der Flüchtlinge im Land. Noch am Freitag hatte die EU deutlich gemacht, dass sie von der Türkei erwarte, dass sie die Vereinbarung einhalte.
Innenminister Nehammer: Österreich trifft Vorbereitungen für Grenzschutz
"Österreich wird im Bezug auf die Situation in der Türkei Vorbereitungen für Grenzschutzmaßnahmen treffen", sagte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) laut einer Aussendung von Sonntag früh. Nehammer sei auch von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) dementsprechend beauftragt worden. Nehammer habe in Gesprächen mit mehreren Amtskollegen erneut betont, dass rasch gehandelt werden müsse und sich eine Situation wie 2015 nicht wiederholen dürfe.
Der Innenminister habe am Samstag mit dem griechischen Migrationsminister Notis Mitarakis, dem deutschen Innenminister Horst Seehofer, dem bulgarischen Innenminister Mladen Marinov und dem kroatischen Innenminister Davor Bozinovic telefoniert. In den Gesprächen sei auch über die Einhaltung des Türkei-Deals gesprochen worden. Griechenland habe zugesichert, zu reagieren, sollte sich die Situation an der Grenze noch weiter verschärfen. Dazu seien bereits zusätzliche Kräfte für den Grenzschutz mobilisiert worden.
Nehammer betonte laut dem Innenministerium, die Situation sei "eine große Bewährung für den europäischen Außengrenzschutz. Österreich ist bereit zu unterstützen." Man biete "zusätzliche Polizisten zur Unterstützung vor Ort an und sind laufend mit unseren europäischen Partnern im Austausch. Unser aller Ziel muss es sein, die Menschen nicht mehr durch Europa durchzuwinken, sondern an der Außengrenze anzuhalten. Im Notfall sind wir aber auch bereit, unsere Grenzen eigenständig zu schützen."
Röttgen: Erdogans Grenz-Öffnung ist "Hilferuf"
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im deutschen Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), hat die Europäische Union davor gewarnt, mit Härte auf die neuesten Vorstöße des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zu reagieren. Dessen Ankündigung, die Grenzen der Türkei zur EU für Flüchtlinge zu öffnen, habe zwar "die äußere Form einer Drohung", sei aber dem Inhalt nach "ein Hilferuf" an Europa, sagte Röttgen der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".
"So sollten wir das verstehen und nicht als Provokation", mahnte Röttgen. Erdogan sei mit seinem Versuch gescheitert, in Syrien mit Russland zusammenzuarbeiten, und genau das signalisiere er jetzt dem Westen. Seine Ankündigung, nun die türkische Grenzen für Flüchtlinge mit dem Ziel EU offen zu halten, hießen: "Seht her, ich bin mit meiner Russland-Politik gescheitert, und jetzt brauche ich die Europäer."
Röttgen, der zu den Bewerbern um den CDU-Vorsitz zählt, hob hervor, dass die Türkei Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen habe. Darum müsse Europa ihr jetzt "zusätzliches Geld und zusätzliche Hilfe bereitstellen, um diese Menschen vorübergehend zu versorgen".
Eine harte Gangart gegen Erdogan sei "im Lichte unserer Interessen der falsche Weg", warnte der Außenpolitiker in der "FAS". Der Westen solle nicht "auf den Ton" des türkischen Staatschefs eingehen, sondern "den Problemen" gerecht werden.
Mit Blick auf Russland verlangte Röttgen, der Westen müsse über zusätzliche Sanktionen nachdenken. Der russische Präsident Wladimir Putin habe "bisher für seinen Eroberungskrieg an der Seite Assads keinen Preis bezahlen müssen". Deshalb habe der russische Präsident auch "keinen Anlass, auf irgendwelche freundlichen Appelle europäischer Außenminister einzugehen".
Der Westen müsse Russland folglich durch die "Drohung mit wirtschaftlichen Sanktionen" zu Verhandlungen bringen, sagte Röttgen. "Wir müssen klar machen, dass wir bereit sind, diplomatisch und wirtschaftlich hart zu spielen." Wenn eine solche Initiative "von Deutschland und Frankreich gemeinsam" ausgehe, werde das seine Wirkung auf Putin nicht verfehlen.
Erdogan hatte am Samstag gesagt, die "Tore" der Türkei stünden für Flüchtlinge, die nach Europa wollten, nun offen. Er begründete dies damit, dass die EU sich nicht an den im März 2016 geschlossenen Flüchtlingspakt halte. Ankara verpflichtete sich darin, alle auf den griechischen Ägäis-Inseln ankommenden Flüchtlinge zurückzunehmen und stärker gegen Schlepperbanden vorzugehen. Die EU versprach der Türkei im Gegenzug Milliardenhilfen, eine beschleunigte Visa-Erleichterung und die Modernisierung der Zollunion.
Die Türkei steht wegen der Offensive unter Druck, die Syriens Machthaber Bashar al-Assad mit militärischer Unterstützung Russlands derzeit in der letzten Rebellenhochburg Idlib führt. Nach UN-Angaben wurden dadurch seit Dezember fast eine Million Menschen vertrieben, so dass in der Türkei die Zahl der Flüchtlinge weiter steigt.
Außerdem werden die vor allem islamistischen und jihadistischen Milizen, die in Idlib gegen Assad kämpfen, zum Teil von der Türkei unterstützt. Bei Luftangriffen in Idlib wurden am Donnerstag 33 türkische Soldaten getötet, ein weiterer starb am Freitag.