Bei Flüchtlingspolitik
Orban sieht sich als Vorbild für Europa
05.01.2018
Die Migrationsfrage sei in Europa zu einer 'Demokratieproblematik' geworden.
Der umstrittene ungarische Ministerpräsident Viktor Orban hat die harte Flüchtlingspolitik seines Landes verteidigt - und sieht sich dabei als Kämpfer für den europäischen Volkswillen und Vorbild für Europa. Die Migrationsfrage sei in Europa zu einer "Demokratieproblematik" geworden, sagte Orban am Freitag nach Gesprächen mit Landespolitikern der bayerischen CSU im Kloster Seeon.
"Die Europäer haben einen klaren Willen, man könnte sagen, der Wille des Volkes ist eindeutig: Sie wollen nicht unter Terrorgefährdung leben, sie wollen, dass es Sicherheit gibt, sie wollen, dass die Grenzen geschützt werden", argumentierte Orban laut Übersetzung. Zudem sollten diejenigen, die keinen Grund hätten, hier zu leben, in ihre Heimat zurückgebracht werden.
Kritik in der EU
Ungarn steht in der EU in der Kritik, weil das Land Quoten bei der Flüchtlingsverteilung ablehnt. Darüber hinaus werfen Kritiker Orban vor, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in seinem Land abzubauen.
Orban sagte dagegen, Spitzenpolitiker in Europa hätten "vielerorts nicht das gemacht, was vom Volk gewollt wurde". "In der Demokratie gibt's dann immer Störungen. Und dieser Widerspruch gehört aufgelöst", sagte er. Er denke deshalb, "dass 2018 das Jahr der Wiederherstellung des Volkswillens in Europa sein wird". Das europäische Volk werde Schritt für Schritt erzwingen, dass es in der Migrationsfrage Entscheidungen gebe, die in seinem Interesse seien.
"Grenzschutzkapitän"
Orban hatte zuvor den Machtwechsel zu Schwarz-Blau in Österreich als Beispiel dafür genannt, dass die Demokratie in Europa funktioniere. Die Demokratie sei nun wiederhergestellt, weil die Österreicher eine Regierung gewählt haben, die ähnlich wie die Bürger selbst keine Einwanderer wolle, sagte er am Mittwoch der amtlichen ungarischen Nachrichtenagentur MTI.
Beim Treffen mit CSU-Politikern betonte Orban am Freitag, dass Ungarn all dies verstanden habe. "Zaun und Grenzschutz haben wir auch damals schon betrieben, als es noch Orte in Europa gab, wo Chaos und Rechtswidrigkeit gefeiert worden sind", sagte Orban - und fügte an Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) gewandt hinzu: "Betrachten Sie mich nach wie vor als Ihren Grenzschutzkapitän." Denn die Südgrenze Bayerns verlaufe an der serbisch-ungarischen Grenze.
Seehofer steht hinter Orban
Seehofer stellte sich klar hinter Orban. "Er steht zweifelsfrei auf einem rechtsstaatlichen Boden." Seehofer kündigte unter anderem eine Initiative zu einer verstärkten Zusammenarbeit der mitteleuropäischen Staaten an - und Ungarn werde dazugehören. "Ich werde persönlich diese Initiative organisieren." Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt betonte, Ungarn sei ein wichtiger strategischer Partner - man werde den Gesprächsfaden deshalb nicht abreißen lassen.
SPD-Chef Martin Schulz hatte Seehofer zuvor aufgefordert, Orban an seine Pflichten in der Flüchtlingspolitik zu erinnern. "Ich erwarte, dass Herr Seehofer ihm bei diesem Thema und auch bei den Themen Presse- und Meinungsfreiheit ganz klare Grenzen aufzeigt", sagte Schulz der "Bild"-Zeitung (Freitag-Ausgabe). Staaten wie Ungarn und Polen täten so, "als ginge das Flüchtlingsthema nur uns Deutsche an. Das nehme ich nicht hin." Schulz verwies auf mögliche finanzielle Konsequenzen. Beim nächsten EU-Finanzplan dürfe Deutschland nicht einfach die üblichen Summen weiter in den Etat einzahlen, wenn Hauptnehmerländer wie Ungarn oder Polen nichts zur Flüchtlingsaufnahme beitragen wollten.
Schlagabtausch
Der ungarische Außenminister Peter Szijjarto reagierte mit einem Gegenangriff und betonte, dass sein Land die Schengen-Grenzen konsequent verteidige und damit europäisches Recht durchsetze. "Schulz fällt aber jenem Ungarn, das die Bürger Deutschlands schützt, beständig in den Rücken", sagte der Außenminister.
Innenpolitisch musste die CSU für die Orban-Einladung scharfe Kritik einstecken. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil nannte den Orban-Besuch im Fernsehsender n-tv "eine Kraftmeierei" der CSU, die sich um eine Neuauflage der Großen Koalition mit den Sozialdemokraten bemüht. Die Grünen im Bundestag kritisierten die Orban-Einladung ebenfalls scharf. Grünen-Rechtsexperte Konstantin von Notz sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung", dass die CSU den "Rechtsstaatsverächter" Orban eingeladen habe, lasse nichts Gutes erahnen. Der Linken-Parlamentsgeschäftsführer Jan Korte rückte die CSU wegen der Orban-Einladung in die Nähe von AfD-Sympathisanten. "Wer Orban hofiert, kann auch gleich Gauland einladen - das spart Reisekosten und ist inhaltlich fast gleich", erklärte Korte.