Nach "Vatileaks":
Papst-Diener drohen 30 Jahre Haft
26.05.2012
Skandal im Vatikan: "Anschlag auf Sicherheit" des Heiligen Stuhls.
Bis zu 30 Jahre Haft drohen dem Kammerdiener von Papst Benedikt XVI., Paolo Gabriele, der im Zug des seit Wochen schwelenden Enthüllungsskandals im Vatikan festgenommen worden ist.
Dem 46-Jährigen, der seit 2006 in der Wohnung des Papstes dient, werde ein "Anschlag auf die Sicherheit des Papstes" vorgeworfen, weil er vertrauliche Dokumente, unter anderem persönliche Briefe an den Heiligen Vater, weitergegeben habe, berichtete die römische Tageszeitung "La Repubblica" am Samstag. Dies könnte ihm laut vatikanischem Recht bis zu drei Jahrzehnte Haft einbringen. Gabriele, der verheiratet und Vater von drei Kindern ist, verbrachte die Nacht in einer Zelle, in der üblicherweise Schweizergardisten bei Vergehen vernommen werden.
In einigen Unterlagen, die Gabriele an die Medien weitergegeben haben soll, geht es angeblich um Vorwürfe der Korruption, des Missmanagements, der Günstlingswirtschaft und um Kritik an der Führung der Vatikan-Bank IOR, deren Präsident Ettore Gotti Tedeschi am Donnerstag entlassen wurde. Gabriele habe außerdem Briefe des Papstes an seinen Sekretär Georg Gänswein sowie Dokumente zum Fall um die 1983 entführte Vatikan-Bürgerin Emanuela Orlandi an die Öffentlichkeit gelangen lassen.
Die Weitergabe vertraulicher Informationen beschäftigt den Heiligen Stuhl, seit der italienische Journalist Gianluigi Nuzzi angebliche Geheimdokumente aus dem Vatikan veröffentlicht hat. In einem Buch mit dem Titel "Sua Santita" (Seine Heiligkeit) publizierte er nach eigenen Angaben "Geheimpapiere von Benedikt XVI.". Dazu gehören Briefe und Faxe sowie Gesprächsvorlagen für den Papst. Unter anderem wurde ein internes Vatikan-Memorandum für ein Treffen des Papstes mit dem italienischen Präsidenten Giorgio Napolitano abgedruckt.
Ende April hatte Benedikt XVI. drei pensionierte Kardinäle beauftragt, die wiederholte Weitergabe interner Dokumente nach außen aufzuklären. Der Vatikan hatte vergangene Woche ein entschiedenes Vorgehen gegen die Veröffentlichung vertraulicher Dokumente des Papstes angekündigt. Es handle sich hier nicht mehr um Journalismus, sondern um kriminelle Taten und um die Verletzung persönlicher Freiheitsrechte, hieß es in einem Kommunique.
Weitere Personen in den Skandal verwickelt?
Nicht ausgeschlossen wird, dass andere Personen in den Skandal verwickelt sind und es zu weiteren Festnahmen kommt. Im Vatikan wird nach Personen gesucht, die Gabriele zur Unterschlagung der Dokumente bewogen haben könnten. Seit Jahrhunderten war im Vatikan niemand verhaftet worden. "Der Skandal droht Benedikts Pontifikat stark zu belasten", kommentierte "La Repubblica".
Gabrieles Festnahme war ein Schock für den Vatikan. Der Mann sei wegen seiner Treue dem Papst gegenüber bekannt. Der Papst sei wegen des Falls "schmerzhaft betroffen", verlautete aus Kreisen um den Heiligen Vater. Niemand könne sich erklären, was Gabriele zur Weitergabe der Dokumente veranlasst haben könnte.
Spekuliert wird nun, ob es einen Zusammenhang zwischen der Festnahme Gabrieles und der am Donnerstag beschlossenen Entlassung des Chefs der Vatikanbank IOR gibt. Dieser musste nach einem Misstrauensvotum des Aufsichtsrats zurücktreten. Der Bankmanager, der mehr Transparenz in die Geschäfte der Vatikanbank bringen sollte, habe trotz wiederholter Mahnungen "bestimmte Aufgaben von vordringlicher Wichtigkeit nicht ausgeführt", teilte der Vatikan am Freitag mit. In italienischen Medien wurde auch über einen möglichen Zusammenhang mit dem Enthüllungsskandal spekuliert. Interimistisch wird die Bank jetzt vom bisherigen Vizepräsidenten Ronaldo Hermann Schmitz, Vertreter der Deutschen Bank im IOR-Vorstand, geleitet werden, wie italienische Medien berichteten.
Machtkämpfe und Intrigen sollen zur Ausgrenzung des IOR-Chefs geführt haben, der in den vergangenen Monaten immer wieder mit dem vatikanischen Staatssekretär Kardinal Tarcisio Bertone in Konflikt geraten war. Die Vatikanbank wurde in der Vergangenheit bereits wegen undurchsichtigen Finanzgebarens kritisiert, unter anderem im Zusammenhang mit Geldwäsche. Gotti Tedeschi bestritt Verwicklungen in den Enthüllungsskandal vehement.