Die Nachricht erschütterte die katholische Kirche zutiefst. Erst zum zweiten Mal in ihrer Geschichte tritt das Oberhaupt zurück. Papst Benedikt XVI.
, seit 2005 Pontifex, legt sein Amt nieder. Kurz nach der Rücktrittserklärung geschieht das Unfassbare: Ein Blitz schlägt im Petersdom, dem Sitz des Papstes ein.
Spektakuläre Bilder entstehen: Der Blitz trifft vor dunkelblauem Himmel genau die Mitte der Kuppel des Petersdoms. Ist es eine Reaktion Gottes auf den Rücktritt? Schließlich sprachen schon einige Priester davon, dass die Nachricht "wie ein Blitz aus heiterem Himmel" gekommen sei.
Papst-Rücktritt: Die Nachfolgekandidaten1/8
Christoph Schönborn (67)Der Wiener Erzbischof hat nach den Skandalen um Kardinal Hans Hermann Groer und Bischof Kurt Krenn den Ruf eines Krisenmanagers, gilt aber auch als versöhnlicher und Dialog-fähiger Pragmatiker. Nach dem Rücktritt des in einen Kindersex-Skandal verwickelten Groer wurde er 1995 dessen Nachfolger. Machte sich als Redakteur für den Katechismus der Katholischen Kirche weltweit einen Namen. Seine liberalen Aussagen zum Thema Homosexualität haben in der Kirche für Debatten gesorgt.
Oscar Andres Rodriguez Maradiaga (70)aus Honduras, Salesianer, wurde zeitweise als aufgehender Stern der lateinamerikanischen Kirche gefeiert. Der polyglotte Kleriker spricht nach seinem Psychotherapie-Studium in Innsbruck auch passables Deutsch. Er gilt als begeisterter Musiker und ist auch offen für ökumenische Fragen.
Jose Mario Bergoglio (76)Argentinier und Erzbischof von Buenos Aires, macht sich für sozial Schwache stark. Ist Jesuit, ob das ein Nachteil oder Vorteil sein kann, ist schwer abzuschätzen. Noch nie in der Kirchengeschichte war ein Jesuit Papst.
Peter Erdö (60)Der Ungar ist seit 2003 Erzbischof von Esztergom-Budapest. Damit ist er auch Primas des Landes. 2006 wurde er zum Präsidenten des Rats der Europäischen Bischofskonferenzen bestellt.
Angelo Scola (71)Italiener, seit 2002 Patriarch von Venedig, gilt als aufgeschlossen. Der Moraltheologe und Philosoph leitet seit 1995 die Lateran-Universität und das Päpstliche Institut für Ehe-und Familienstudien. Ins Kardinalskollegium wurde Scola 2003 aufgenommen.
Peter Kodwo Appiah Turkson (64)aus Ghana, Vorsitzender der nationalen Bischofskonferenz, Erzbischof von Cape Coast. Er gehört mehreren vatikanischen Kommissionen an, zu Hause setzte er sich für Entwicklung und Umweltschutz ein. Wurde 2003 völlig überraschend zum Kardinal ernannt.
Angelo Bagnasco (70)Italiener, Bagnasco ist Präsident der italienischen Bischofskonferenz. Der Erzbischof von Genua wurde im März 2012 vom Papst weitere fünf Jahre an der Spitze des italienischen Episkopats bestätigt.
Marc Oullett (69)Der Kanadier ist der Leiter der Bischofskongregation. Trotz seiner guten Beziehungen in der Kurie könnte die starke Säkularisierung in seiner Geburtsregion Quebec gegen ihn arbeiten.
Spekulationen über wahren Rücktrittsgrund Der Rückzug des 85-jährigen Josef Ratzingers sei nicht nur altersbedingt, sondern den Machtintrigen in der Kurie zuzuschreiben, die für den Papst vor allem nach dem aufsehenerregenden Vatileaks-Skandal unerträglich geworden seien, berichten Vatikan-Insider.
Machtkampf Von einem Machtkampf im Vatikan wird in Rom offen gesprochen. Spekuliert wird, dass Benedikt das Handtuch geworfen hat, um dem internen Krieg in der Kurie ein Ende zu setzen. Dabei würde es um eine Auseinandersetzung zwischen dem Staatssekretär des Kirchenstaates, Tarcisio Bertone, und seiner Widersacher gehen, die seine Ablösung erwirken wollen. Der Papst hatte vor einigen Monaten das Gesuch des 78-Jährigen auf Ruhestand abgelehnt und sich so hinter ihn gestellt. Bertone steht im Vatikan schon länger in der Kritik, etwa im Zusammenhang mit dem Missbrauchskandal und dem für die Kirche desaströsen Umgang mit der erzkonservativen Piusbruderschaft. Vor allem Anhänger von Benedikts Vorgänger Johannes Paul II., wie Kardinal Rino Fisichella und der Ex-Privatsekretär des polnischen Papstes, Stanislaw Dziwicsz, würden einen Krieg gegen Bertone führen, berichtete die römische Tageszeitung "La Repubblica" am Dienstag.
Der Ablauf der Papst-Wahl: Das Konklave1/6
WER?Bei der bisher letzten Wahl des Papstes, im April 2005, nahmen 115 Kardinäle unter 80 Jahren aus insgesamt 52 Ländern teil. Zwei weitere wahlberechtigte Kardinäle konnten wegen Krankheit nicht teilnehmen. 66 weitere Kardinäle waren nicht wahlberechtigt, da sie älter als 80 Jahre waren. Wer als Papst ausgewählt wird, muss nicht zwangsläufig einer der Wahlberechtigten sein, in der Regel kommt er aber aus diesem Kreis.
WO?Die Kardinäle versammeln sich in der Sixtinischen Kapelle im Vatikan. Bei der Papst-Wahl von 2005 waren die Kardinal zum ersten Mal in der Geschichte des Konklaves komfortabel in Zimmern mit eigenem Bad in einem Gästehaus des Vatikan (Casa Marta) untergebracht. Davor schliefen sie in kargen Zellen in der Nähe der Sixtinischen Kapelle. Von der Außenwelt sind sie abgeschottet - sie dürfen weder telefonieren, Zeitung lesen, fernsehen oder Radio hören, noch dürfen sie das Internet benutzen.
GESCHICHTE Das Wort Konklave (aus dem Lateinischen "cum clave", mit dem Schlüssel) geht zurück auf die Wahl des Papstes Coelestin IV. im Jahr 1241, als die Kardinäle in einem zerfallenen Palast eingeschlossen worden waren. Im 13. Jahrhundert dauerte das Konklave zur Wahl von Papst Gregor X. ganze zwei Jahre, neun Monate und zwei Tage. Die durchschnittliche Dauer der acht Papst-Wahlen im 20. Jahrhundert lag bei etwas mehr als drei Tagen. Die Wahl von Papst Johannes Paul II. im Jahr 1978 war in weniger als drei Tagen entschieden, auch die Wahl von Papst Benedikt XVI. dauert nur zwei Tage (18. und 19. April 2005).
WAHLBei der Wahl 2005 konnten die Kardinäle bereits ab dem zweiten Tag insgesamt viermal abstimmen, zwei Mal am Vormittag und zwei Mal nachmittags. Alle drei Tage legten die Kardinäle einen Tag Pause für Gebete, "zwanglose Gespräche unter den Wählern" und eine Ansprache ein. Um die Wahl zu gewinnen, braucht ein Kandidat eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Nach 33 oder 34 Wahlgängen können die Kardinäle für die nächste Runde eine einfache Mehrheit für ausreichend erklären.
RAUCHSIGNALE Nachdem die Kardinäle ihre Wahl auf ein Papier hinter die lateinischen Worte "Eligo in Summum Pontificem ..." (Zum Papst wähle ich ...) geschrieben haben, werden alle Wahlzettel eingesammelt. Nach Auszählung der Stimmen werden die Zettel verbrannt und aus einem Kaminrohr über der Sixtinischen Kapelle steigt Rauch auf. Schwarzer Rauch zeigt an, dass noch kein Kandidat die erforderliche Mehrheit hat. Erscheint weißer Rauch und läuten die Glocken des Petersdoms, ist eine neuer Papst gewählt. Die Rauchsignale erfolgen zweimal täglich (mittags und abends).
"HABEMUS PAPAM" Ist die Entscheidung gefallen, wird sie von der Loggia des Petersdoms aus mit den Worten verkündet: "Annuntio vobis gaudium magnum. Habemus Papam!" (Ich verkünde euch große Freude. Wir haben einen Papst!) Der Papst richtet sich dann mit seiner ersten Ansprache an die auf dem Petersplatz wartende Menge und spendet erstmal den Segen "Urbi et Orbi". Mit der Übernahme des Pontifikats wählt der Papst einen neuen Namen. Am häufigsten wurden bisher die Namen Johannes (23 Mal), Gregor (16 Mal), Benedikt (15 Mal), Klemens (14 Mal), Innozenz und Leo (jeweils 13 Mal) gewählt.
Der Papst wurde auch von anderer Seite bedrängt Reformorientierte Kräfte kritisierten die Annäherung zu den Piusbrüdern. Einige Beobachter sehen in der Annäherung Ratzingers an die Gruppierung den größten Fehler seiner Amtszeit. Unter anderem hatte der Vatikan die Exkommunikation mehrerer Pius-Bischöfe aufgehoben. Darunter war auch der Holocaust-Leugner Richard Williamson, den die Piusbrüder aber zwischenzeitlich ausgeschlossen haben.
Video: So gab Benedikt XVI. seinen Rücktritt bekannt:
Mann der Bücher Benedikt XVI., ein Mann der Bücher, kümmere sich zu wenig ums Regieren, wurde zuletzt immer wieder moniert, und als Monarch im Vatikan habe er nicht für Transparenz in seinem Staat gesorgt. So im Fall der Vatikanbank IOR und ihres im Mai gefeuerten Chefs Ettore Gotti Tedeschi: Mehrfach gab es Kritik wegen intransparenten Finanzgebarens und Geldwäscheverdachts, Tedeschi sollte aufräumen.
Verbitterung Dem Papst selbst seien die Spekulationen zu bunt geworden. Auch Verbitterung wegen der sogenannten Vatileaks-Affäre hätten ihn zum Rücktritt bewogen. Hinter dem Ex-Kammerdiener, Paolo Gabriele, der wegen schweren Diebstahls zu 18 Monaten Haft verurteilt worden war, stünde eine Gruppe von vatikanischen Dissidenten, die den Machtkampf in der Kurie an die Öffentlichkeit bringen wollten. Davon ist der Journalist Marco Politi, seit vier Jahrzehnten Vatikan-Berichterstatter und "König" der "Vaticanisti", der am Heiligen Stuhl ständig akkreditierten Journalisten, fest überzeugt.
"In der Vergangenheit wurden die Machtkämpfe in den Gängen der Vatikan-Paläste ausgetragen, jetzt geraten sie an die Öffentlichkeit. Das ist ein Zeichen der zunehmenden Säkularisierung und ein Signal, dass der interne Machtkampf ein bisher unvorstellbares Niveau erreicht hat", so der Journalist.
Die Machtkämpfe im Vatikan richten sich laut Politi gegen Bertone, der von der Kurie stets als Außenseiter betrachtet worden sei, weil er nicht aus der vatikanischen Diplomatie stammte und mit dem administrativen System der Kurie nicht vertraut war. Der Druck habe zuletzt zugenommen, damit Bertone aus Altersgründen zurücktrete.