"Heuchelei"

Papst spricht von "kriminellen Handlungen" im Gaza-Krieg

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Papst Franziskus hat mit Blick auf den Gaza-Krieg von "kriminellen Handlungen" gesprochen. I 

n dem Konflikt würden Mittel gebraucht, die nicht dem Kriegsrecht, sondern eher einem "Guerillakrieg" entsprächen, sagte er laut Kathpress-Meldung am Samstag in einem am Freitagabend auf YouTube ausgestrahlten Interview des argentinischen kirchlichen Senders "Canal Orbe 21", der auch vom Vatikan in mehreren Sprachen verbreitet wurde.

"Wenn du einer Mutter begegnest mit ihren zwei Kindern, die über die Straße geht, um von zu Hause etwas zu holen und dann in die Pfarrei zurückzukehren, wo sie lebt, und du sie dann mit Maschinengewehren erschießt, ohne Grund, dann ist das nicht Krieg nach den normalen Regeln eines Krieges. Es ist furchtbar", sagte er in Anspielung auf einen Vorfall Mitte Dezember 2023 auf dem Gelände der katholischen Pfarrei "Heilige Familie" in Gaza, wo laut Berichten israelische Soldaten zwei Frauen getötet und sieben weitere Menschen verletzt hatten.

"Heuchelei" bei Friedensbekenntnissen

Insgesamt äußerte sich Franziskus verhalten über die Chance auf Beendigung des Nahostkriegs sowie des Ukraine-Kriegs. "Es beunruhigt mich, dass die zahlreichen Friedensappelle internationaler Organisationen in das eine Ohr hinein und aus dem anderen wieder hinausgehen", so der Papst. Es sei eine "grundlegende Heuchelei", von Frieden zu reden, während man für den Krieg rüste. Waffenfabriken gehörten zu den profitabelsten Anlagen in Europa, kritisierte der 88-Jährige. "So organisieren wir Konferenzen und Friedenstreffen, produzieren aber weiterhin Waffen zum Töten", so Franziskus.

Für den Krieg in der Ukraine forderte der Papst dringend einen Friedensvertrag. "Die Verhandlungen über Frieden geraten oft ins Stocken, weil Nebensächlichkeiten in den Vordergrund gestellt werden", erklärte Franziskus. Zudem sprach er von der "Heuchelei", die diesen Krieg begleitet. Er kritisierte, dass junge Ukrainer ohne ausreichende Mittel an die Front geschickt werden. "Es ist so, dass sie nicht viele Männer haben, während Russland viele hat."

EU hat Potenzial als Vermittlerin

Der Papst hob die zentrale Rolle des Dialogs hervor. Er lobte die Europäische Union für ihre Potenziale als Vermittlerin, betonte jedoch, dass die Institution unabhängig bleiben müsse. "Die EU besitzt die Kraft, den Dialog zu fördern, sowohl intern als auch extern. Diese Fähigkeit darf sie nicht verlieren", sagte Franziskus.

Franziskus hob die Bedeutung von Vergebung und Dialog hervor, um Konflikte auf allen Ebenen zu lösen. Er erinnerte an seinen Besuch in Kanada, wo er in Namen der katholischen Kirche wegen ihrer Rolle bei der gewaltsamen Assimilation indigener Kinder in Internaten um Verzeihung gebeten hatte. "Eine Entschuldigung, die aufrichtig ist, ist immer ein Schritt in Richtung Frieden", erklärte Franziskus.

Er betonte auch die Notwendigkeit, Kinder und Jugendliche zu einer Kultur der Vergebung und Verantwortung zu erziehen. "Wir müssen ihnen beibringen, Fehler zu erkennen und sich aufrichtig zu entschuldigen. Das ist ein Akt der Demut und der Menschlichkeit", sagte der Papst.

"Bildung darf nicht gekürzt werden"

In wirtschaftlich schwierigen Zeiten warnte Franziskus vor überzogenen Sparmaßnahmen in der Bildung. "Bildungskürzungen sind ein programmierter Selbstmord für ein Land", so Franziskus in dem Interview für den argentinischen Sender. Bildung sei "Nahrung für Geist und Seele". Ausdrücklich lobte der Papst die Widerstandsbereitschaft vieler junger Menschen gegen Bildungsabbau. Er bezog sich nicht ausdrücklich auf sein Heimatland, dennoch war der Kontext klar: In Argentinien hatten im Frühjahr hunderttausende Menschen gegen die Sparpolitik von Präsident Javier Milei protestiert, der im Rahmen eines brachialen Sparprogramms das Budget öffentlicher Universitäten um mehr als zwei Drittel gekürzt hatte.

Stimme der Frauen wird wichtiger

Die Weltsynode zum Thema Synodalität, die 2023 und 2024 jeweils im Oktober im Vatikan getagt hatte, beschrieb Papst Franziskus als einen Prozess, der die Gemeinschaft stärken und die Kirche offener machen soll. Er lobte die aktive Beteiligung von Laien, insbesondere Frauen, und bezeichnete den Dialog als zentralen Aspekt. "Die Synode ist nicht mehr eine Kirche von oben nach unten, sondern eine, die auf die Stimmen der Basis hört", erklärte der Papst. Die Ergebnisse der Synode sollten Harmonie fördern und die Kirche als Gemeinschaft stärken.

Insgesamt werde die Stimme der Frauen immer wichtiger, sagte Franziskus. Er erinnerte sich an sein Treffen mit den etwa 100 Frauen, die im Oktober an der Synode teilgenommen hatten. "Die Reife dieser Frauen war erstaunlich - wie sie ihre Ideen geäußert haben, mit welchem Mut, etwas, das man vor 40 Jahren nicht kannte", so der Papst, der sich offen für Frauen in hoher Verantwortung in kirchlichen Strukturen zeigte. Mit Blick auf den Vatikan verwies er auf die geplante Ernennung einer Frau als Präfektin, also "Nummer eins" eines vatikanischen Dikasteriums

Die Zukunft der Kirche sah Franziskus in einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen Laien und Klerus. "Die Kirche der Zukunft ist eine, die sich im Dialog befindet, die auf die Gemeinschaft setzt und Brücken baut", erklärte er. Die klassische Hierarchie der Pfarre, in der allein der Pfarrer entscheidet, sei ein Modell der Vergangenheit. Stattdessen solle die Kirche als dynamische Gemeinschaft agieren, die von Offenheit und Dialog geprägt ist.

Innere Erneuerung und Vergebung im Heiligen Jahr 2025

Mit Blick auf das kommende Heilige Jahr 2025 unter dem Motto "Pilger der Hoffnung" rief der Papst zur inneren Erneuerung und Vergebung auf. "Das Jubeljahr soll keine touristische Attraktion sein. Es geht darum, alte Geschichten auszuräumen, inneren Frieden zu finden und Vergebung zu leben", erklärte Franziskus. Er forderte Gläubige weltweit auf, diese Gelegenheit zur Besinnung und Versöhnung zu nutzen.

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