Benedikt XVI. erkennt den "schrecklichen Verrat" an den irischen Opfern an.
Der Papst hat in seinem am Samstag veröffentlichten Pastoralbrief seine "Erschütterung" über die von Geistlichen zu verantwortenden Missbrauchsfälle in Irland zum Ausdruck gebracht. "Es sind viele Faktoren, die das Problem verursacht haben: eine ungenügende moralische und spirituelle Bildung in den Seminaren und in den Novizenstrukturen, eine Tendenz der Gesellschaft, den Klerus und andere Autoritätspersonen zu begünstigen, eine übertriebene Sorge um den guten Ruf der Kirche und zur Vermeidung von Skandalen, was zur verfehlten Anwendung der geltenden kanonischen Strafen geführt hat", heißt es in einer vom Vatikan veröffentlichten Zusammenfassung des Hirtenbriefes. Das Oberhaupt der irischen Kirche, Kardinal Sean Brady, sieht in dem Hirtenbrief einen zentralen Schritt auf dem Weg zur Erneuerung.
Andere Länder, in denen zuletzt ebenfalls zahlreiche Missbrauchsfälle in kirchlichen Einrichtungen bekannt geworden waren, erwähnte der Papst in dem Schreiben demnach nicht explizit.
Schönborn sieht Maßgabe für Österreich
Obwohl
Österreich nicht erwähnt wird, sieht Kardinal Schönborn auch eine klare
Maßgabe für Österreich. "Man spürt in diesem Brief, dass
der Papst die Enttäuschung und auch den Zorn sehr wohl wahrgenommen hat -
und es ist ihm klar, dass der nicht nur auf Irland beschränkt ist",
sagte Schönborn gegenüber Kathpress. "Dieser Brief ist auch
an uns in Österreich geschrieben", so der Wiener Erzbischof und
Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz. Für Schönborn hat der
Hirtenbrief die "erhoffte und wünschenswerte Klarheit", die
nichts diplomatisch verschleiere. Nach Ansicht des Kardinals passen die
einzelnen Punkte, die Benedikt XVI. anspricht, "eins zu eins" auf
die österreichische Situation.
Große Enttäuschung bei Missbrauchs-Opfern
Die
Betroffenen können die Zufriedenheit des Klerus nicht nachvollziehen. Die
Opfer kirchlicher Gewalt in Österreich und in Irland haben mit "großer
Enttäuschung" reagiert.
Ursachen und effiziente Lösungen finden
"Nur, indem
man mit Aufmerksamkeit die vielen Elemente berücksichtigt, die die Krise in
Irland verursacht haben, kann man mit Genauigkeit Ursachen und effiziente
Lösungen finden", heißt es in dem Text. Der Papst erkennt den "schrecklichen
Verrat" an, den die Opfer der Missbrauchsfälle erlitten haben, und
drückt sein Bedauern über das Leid aus, das sie erdulden mussten. Er sehe
ein, dass in vielen Fällen niemand bereit gewesen sei, auf die Stimme der
Opfer zu hören, die den Mut fanden, über ihre Erlebnisse zu sprechen.
Vor Gott und vor Gerichten verantworten
"In seinen Worten
an Geistliche und Priester, die der Missbrauchsfälle schuldig sind, ruft der
Papst sie auf, sich vor Gott und den Gerichten für die schändlichen und
kriminellen Taten, die sie begangen haben, zu verantworten. Sie haben ein
heiliges Vertrauen verraten und Schande über ihre Mitbrüder gebracht. Ein
großer Schaden ist verübt worden, nicht nur an den Opfern, sondern auch an
der öffentlichen Wahrnehmung des Priestertums und dem religiösen Leben in
Irland gegenüber. Während der Papst von ihnen verlangt, dass sie sich der
Justiz beugen, erinnert er sie daran, dass sie auf die Barmherzigkeit Gottes
vertrauen müssen, die er freiwillig auch den größten Sündern angeboten hat,
wenn sie ihre Taten bereuen und mit Demut um Verzeihung bitten", heißt
es in der Zusammenfassung des Vatikans weiter.
Auf die Opfer bezogen, steht in dem Text: "Obwohl der Papst einsieht, wie schwierig es für die Opfer sein muss, zu verzeihen oder sich mit der Kirche zu versöhnen, ruft er sie auf, die Hoffnung nicht aufzugeben. Jesus Christus - er selber Opfer ungerechten Leidens - begreift die Tiefe ihrer Qual und deren anhaltende Auswirkungen auf ihr Leben und auf ihre Beziehungen. Trotzdem sind gerade seine Wunden, die von seinem erlösten Leid geheilt wurden, zum Mittel geworden, mit dem die Macht des Bösen vernichtet und wir zu neuem Leben und zu neuer Hoffnung erwachen können." Der Papst rufe die Opfer auf, "in der Kirche die Chance zu suchen, Jesus Christus zu treffen und die Genesung und die Versöhnung zu finden, in der sie die unendliche Liebe wieder entdecken können, die Christus für jeden von ihnen hat".
Neue moralische Prinzipien
Die Eltern fordert Benedikt XVI.
demnach auf, "neuen Generationen die moralischen Prinzipien
beizubringen, die für eine zivilisierte Gesellschaft ausschlaggebend sind.
Der Papst ruft Kinder und Jugendliche auf, in der Kirche eine Möglichkeit
für ein belebendes Treffen mit Christus zu finden und sich nicht von den
Mängeln einiger Geistlicher und Priester bremsen zu lassen. Er schaut auf
den Beitrag der Jugendlichen für die Erneuerung der Kirche. Er fordert auch
Priester und Geistliche auf, nicht den Mut zu verlieren, sondern im
Gegenteil ihr Engagement für ihre Mission zu erneuern", so der
Text.
"Schande und Reue"
Zudem drückte der Papst "im
Namen der Kirche offen die Schande und die Reue aus, die wir alle fühlen".
Es werde manchmal schmerzhafte Hilfsmittel brauchen, um die Wunden zu heilen
und die Kirche in Irland in einem langwierigen Prozess zu erneuern. Benedikt
XVI. erklärte weiters, beim Umgang mit den Missbrauchsfällen seien "schwerwiegende
Fehler" gemacht worden.
"Erkennt eure Schuld öffentlich an, unterwerft euch der Rechtsprechung", lautet die Forderung des katholischen Kirchenoberhauptes an die Priester und Ordensleute, die Kinder in Irland missbraucht haben. Sie hätten das in sie gesetzte Vertrauen verraten. Benedikt kündigte konkrete Initiativen zum Umgang mit dem Skandal in Irland an, so etwa eine apostolische Visitation in einigen Bistümern.
Die katholische Kirche in Irland war im vergangenen Jahr durch zwei Untersuchungsberichte schwer erschüttert worden, die den jahrzehntelangen tausendfachen Missbrauch von Kindern unter dem Dach der Kirche dokumentiert hatten. Der Papst hatte irische Bischöfe deshalb vor kurzem nach Rom zitiert. Der Hirtenbrief könnte bereits am Sonntag in irischen Gotteshäusern verlesen werden.